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Epiphanie 1999

Thema: Hl. drei Könige? - Epiphanie!

Lesg./Ev.: Jes 60,1-6; Mt 2,1-12

gehalten am 06.01.1999 9:00h ESB von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium:

Mt 2:1 Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem 2 und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. 3 Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. 4 Er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. 5 Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten: 6 Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel. 7 Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. 8 Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige. 9 Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. 10 Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. 11 Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. 12 Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.

Predigt

Liebe Christen!

Wenn Sie mal nach Köln kommen, dann versäumen Sie ja nicht, einen ganz bestimmten kostbaren Schrein im Hohen Dom zu besichtigen. Denn dem Inhalt dieses goldenend Prachtsarkophages hat die Stadt ihren immensen Zuwachs an Ansehen, Reichtum und Macht zu verdanken, den sie im Hohen Mittelalter erfuhr. In unzähligen Testamenten und Schenkungen von Bürgern, Königen und Fürsten wurde dieses geheimnisvollen Inhaltes gedacht, und der endlose Pilgerstrom dürfte der Stadt finanziell auch nicht gerade von Nachteil gewesen sein.

Was ist nur in diesem edelsteinübersäten Prunksarg enthalten, der wie ein Magnet auf alle frommen Seelen des Mittelalters gewirkt hat? Daß es sich dabei um eine Reliquie, also um irgend einen heiligen Überrest, handeln muß, haben Sie sicher schon erraten.

Aber warten wir noch ein wenig, denn zuerst muß ich ihnen erzählen, wie dieser wertvolle Sarginhalt überhaupt nach Köln kam! Es ist zwar nicht angenehm zu hören, aber er ist schlicht und einfach geraubt worden! Kaiser Friedrich Barbarossa hatte nämlich die Stadt Mailand erobert und sich alsbald auf die genannte Reliquie gestürzt. Und weil sein Kanzler, der Erzbischof von Mainz, so schön zur Eroberung beigetragen hatte, bekam er sie „zum Dank für unermeßliche und unvergleichliche Dienste" geschenkt. Und der brachte sie in einer geheimen Nacht- und Nebelaktion nach Köln, wo sie heute noch sind.

Aber auch in Mailand befand sich der heilige Inhalt nicht seit ewig. Durch einen Bischof war er nämlich aus Konstantinopel mitgebracht worden - und Konstantinopel hinwiederum verdankte dieses unermeßliche Kleinod der guten Kaiser-Mutter Helena. Diese ausgesprochen fromme Dame, die ihre Karriere als Schankkellnerin begonnen hatte, hatte nämlich einen Tic: sie sammelte Reliquien. In mehreren Fahrten nach Palästina wurden ihr auch eine ganze Menge der begehrten Heiligtümer angedreht, darunter auch die drei Kreuze von Golgota - wobei sie das Kreuz Christi durch die Heilung eines Schwerkranken herausgefunden haben will. Auch die heilige Reliquie, die uns heute interessieren soll, wurde damals von ihr „entdeckt". Man bedenke: nach über 300 Jahren! Denn bei der fraglichen Reliquie handelt es sich - man höre und staune - um die Heiligen Drei Könige!

Ich habe schon früher einmal erzählt, daß im Neuen Testament keine Rede davon ist, daß es sich bei den Herren aus dem „Morgenland", also aus dem Iran oder Irak, um Könige gehandelt hätte. Magoi heißt es im Urtext; und das sind priesterliche Gelehrte mit umfassenden mathematischen, medizinischen und astrologischen Kenntnissen. Oft waren sie als Berater von Königen tätig - aber Könige waren sie sicher nicht. Auch die Anzahl dieser Magoi wird in der Bibel nicht genannt; man könnte höchstens anhand ihrer symbolischen Gaben auf die Dreizahl schließen. Diese Erzählung des Mattäus ist übrigens nicht nur theologisch interessant; aber das wäre einmal das Thema eines abendfüllenden Vortrags.

Wenn man - nach all dem Gesagten - auch noch bedenkt, daß die Namen Caspar, Melchior und Balthasar erst einige Jahrhunderte nach der Niederschrift des Mattäus erfunden wurden, dann scheint vom Dreikönigsfest nicht mehr allzuviel übrig zu bleiben. Ist das nicht schade?

Ich finde nicht. Denn erst, wenn man Legendchen, Volksphantasien, unwesentliches Drumherum sauber vom Festinhalt getrennt hat, stößt man auf das Eigentliche, auf die wesentlichen Aussagen.

Ich weiß, daß ich mich mit dieser Einstellung in die Nesseln setze. Aber glauben Sie nicht auch, daß das Christentum anderes zu bieten hat, als eine Fülle von nostalgischen Märchen, von läppischem Aberglauben und lächerlichen Hirngespinsten? Damit kann ich keinem „Neuheiden", ja nicht einmal mehr einem kritischen Jugendlichen beikommen; denn lange, bevor wir ihnen den Kern, die befreienden Botschaft Jesu aufzeigen können, drehen sie sich schon kopfschüttelnd um und halten uns für kindische, ewiggestrige, ungebildete und abergläubische Schwachköpfe.

Mattäus - wie alle anderen Evangelisten - unterscheidet sich da grundsätzlich von mittelalterlichen Fabulierern. Er hat erlebt und erfahren, daß in Jesus die Menschenfreundlichkeit Gottes offenbar wurde; er hat sich von der Begeisterung der Augenzeugen anstecken lassen, die in der Auferstehung Jesu eine Bestätigung durch Gott gesehen haben. Er hat auch am eigenen Leib verspürt, wie befreiend diese Erkenntnis ist und wie sie sein Leben bereichert hat. Und nun versucht er - im Nachhinein, als bereits Glaubender! - mit verschiedenen literarischen Mitteln deutlich zu machen, was ihm selber klar geworden ist. Einiges habe ich schon öfters erwähnt; unter anderem die Einsicht, daß die gesamte Menschheitsgeschichte nicht ein Produkt blinder Schicksalsmächte ist, sondern ein grandioser Heilsweg Gottes, der immer wieder von Propheten ins Bewußtsein gebracht wurde und dessen Höhepunkt nun Jesus, der Messias, ist.

Während Lukas mittels der Hirtengeschichten deutlich macht, daß Gott ganz besonders für die Armen, Sünder und Rechtlosen da ist, zeigt Mattäus mit seiner Geschichte von den Magiern aus dem Osten, daß das Heil Gottes nicht nur auf Israel beschränkt ist, sondern auch die Heidenvölker (also auch uns Nichtjuden!) betrifft. Mehr noch: gerade heidnische Astrologen erkennen die kosmische Bedeutung dieses Kindes, während die jüdische Hautevolée, die Religionsprofis sozusagen, keine Notiz von ihm nehmen.

Nicht nur die Kindheitserzählungen - das gesamte Neue Testament macht immer wieder darauf aufmerksam, daß Gott so ziemlich alles auf den Kopf stellt, was wir so gemeinhin als „normal" empfinden. Großartige Symbole dafür: ein Kind, ein Minidorf namens Betlehem, eine primitive Stall-Höhle. Im Unbedeutenden zeigt Gott seine Macht, und nicht - wie wir natürlicherweise annehmen, in großkotzigem Pomp, in militärischer Stärke oder gesellschaftlichem Ansehen. Wenn Herodes, Symbol für all das, was wir üblicherweise mit Macht verbinden, tödlich erschrickt, dann sicher auch deshalb, weil ihm angesichts des göttlichen Gegenpols die Brüchigkeit und Vergänglichkeit seiner irdischen Macht aufdämmert.

Friedrich Nietzsche hat dem Christentum vorgeworfen, es predige eine Sklavenmoral; anstatt zu ermuntern, den Willen zur Macht zu schulen, fordere es den Menschen auf, zurückzustecken und sich klein zu machen.

Er hätte recht, würde nicht Gott selbst in Jesus zeigen, daß die eigentliche Stärke ganz anderswo liegt als dort, wo wir Menschen Stärke vermuten, nämlich in der scheinbar so ohnmächtigen Liebe.

Das ist schwer zu verstehen, und noch schwerer zu leben. In einer zehnten Klasse bin ich einmal auf völliges Unverständnis gestoßen, als ich den als Stärkeren bezeichnet habe, der auf Rache verzichtet oder den ersten Schritt zur Versöhnung macht, obwohl er sich nicht schuldig fühlt.

Aber seit dem Kind, von dem Mattäus erzählt, können wir wissen, daß die Liebe in Wirklichkeit die stärkste Macht der Welt ist. Denn es ist Gott, der tätig wird, wenn Liebe ins Spiel kommt; denn er ist selbst am Werk, wenn wir uns durch Barmherzigkeit oder Vergebungsbereitschaft selbst erniedrigen.

Denn Gott, denn Liebe kann nur wirken, wenn wir Menschen es zulassen. Und das (so dumm das auch von uns ist) tun wir erst, wenn wir keine äußere Macht mehr haben, wenn wir mit den eigenen Kräften am Ende sind - wie ein Kind, das ganz auf andere angewiesen ist.

Solche Erkenntnisse, die ein Leben umkrempeln können, gewinnen wir nicht durch märchenhafte Folklore, durch malerische oder stimmungsvolle Geschichtchen - auch wenn sie uns noch so ans Herz gewachsen sind. Die Heilige Schrift genügt uns völlig; wenn wir sie meditieren, dann haben wir für ein ganzes Leben genug zu denken.

AMEN

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