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33. Jahressonntag

Thema: Das vergrabene Talent
Lesg./Ev.: Mt 25,14-30
gehalten am 14.11.1999 10:30h ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

Mt 25,14 Es ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. 15 Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Sofort 16 begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. 17 Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. 18 Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn.

19 Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, umvon den Dienern Rechenschaft zu verlangen. 20 Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. 21 Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn! 22 Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen. 23 Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!

24 Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wußte, daß du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; 25 weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder. 26 Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewußt, daß ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. 27 Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. 28 Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! 29 Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluß haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. 30 Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.

Predigt

Liebe Christen!

Ein sehr geschätzter und lieber Mitbruder hat mich auf der letzten Dekanatskonferenz ein wenig verschmitzt angesehen und etwa so gesagt: „Ich bin ja gespannt, wie Du beim Evangelium des kommenden Sonntags die Kurve kriegst!" Was er damit gemeint hat, ist klar! Von heftiger Schelte ist da die Rede, vom Hinauswerfen in die Finsternis und von Heulen und Zähneknirschen! - Wo bleibt da die Frohe Botschaft?

Er hat recht: man kann schon eine Gänsehaut bekommen, wenn man sich die Geschichte ein wenig näher ansieht; daß einem da sofort der Gedanke an ewige Verdammnis und Hölle hochkommt, ist verständlich.

Zunächst die Situation: ein wohlhabender Chef verreist auf unbestimmte Zeit und vertraut seinen Mitarbeitern sein Geld an. Es sind immense Summen: ein „talanton" hat mit dem Gewicht von Kupfer, Gold oder Silber zu tun; daher hängt auch der Wert davon ab, aus welchem Metall das Talent besteht. Ein Silbertalent ist etwa mit dem Wert von 10 000 DM anzusetzen, ein Goldtalent natürlich um ein Vielfaches.

8 Talente sind es also - mindestens 80 000 DM -, die er auf seine Untergebenen verteilt, je nach deren Fähigkeiten.

Bleiben wir zunächst bei dem Mann, der nur ein Talent erhalten hat. Eines wissen wir schon: es ist der Mann, zu dem sein Herr das wenigste Vertrauen hat. Und das beruht auf Gegenseitigkeit: er hält seinen Boß für einen strengen Mann, der das Geld scheffelt, ohne dafür gearbeitet zu haben. Weil er also keine gute Meinung von ihm hat und ihm nicht traut, daher hat er auch Angst vor ihm. Nur ja kein Risiko eingehen: denn wenn was schiefgeht, dann ist er dran!

Er tut das, was auch wir in dieser Situation als das einzig Richtige empfinden würden: er sorgt dafür, daß ihm keiner was klauen kann, er läßt sich nicht auf Spekulationen ein, er geht ganz auf Nummer sicher. Nur so kann er seinem Chef unverändert zurückgeben, was er erhalten hatte.

Es besteht kaum ein Zweifel daran, wen Jesus da mit seiner Geschichte im Fadenkreuz hatte. Auch die Schriftgelehrten und Pharisäer kannten kein anderes Ziel, als das Gesetz, das sie von Gott bekommen hatten, genau zu beachten, oder - wie sie selbst es ausdrückten - „einen Zaun um das Gesetz zu errichten". Jede Veränderung, jede Entwicklung, jede Erneuerung war für sie fluchwürdig; und wenn jemand es wagte, mit diesem Gesetz frei, menschenwürdig, sinnvoll umzugehen, dann galt ihnen dieser Mensch als Ketzer, als „Verlocker Israels", den es auszurotten galt.

Es ist auch klar, was Jesus diesen Leuten - und natürlich auch uns - klarmachen möchte: gerade wenn man kein Vertrauen zu Gott hat, gerade wenn man sich vor Hölle und Verdammnis fürchtet, müßte man sich doch besonders anstrengen, seinem Herrn Gewinn zu verschaffen. Sich wie gelähmt, wie in Schreckstarre zu verhalten, ist in dieser Situation das Dümmste, was man machen kann. So steigert sich die Angst nur noch, und man hat überhaupt nichts vorzuweisen, was den „Herrn gnädig stimmen" könnte.

Wer die Frohe Botschaft Jesu wirklich verstanden hat, weiß auch, warum er die beiden anderen Knechte lobt. Eigentlich sind sie ja ein Risiko eingegangen; sie haben spekuliert und Erfolg gehabt. Es hätte genauso schief gehen können - sie hätten am Ende mit leeren Händen dastehen können. Warum aber haben die beiden etwas riskiert? Die Antwort so klar wie nur möglich: sie haben keine Angst, sondern Vertrauen zu ihrem Boß. Sie wissen zwar, daß sie etwas riskieren, sie wissen aber auch, daß sie auf das Verständnis ihres Herrn rechnen können, wenn die Sache nicht klappt. Nicht mißtrauische, feige, kriecherische Subjekte sind sie, sondern fast Partner, Freunde ihres Herrn.

Genau diese Einstellung hat Jesus Gott gegenüber, und genau diese Einstellung wünscht er sich auch für uns. „Begreift endlich, daß Gott keine kleinliche Krämerseele ist. Er schätzt doch gerade unsere Freiheit, die zwar ein Risiko für ihn und für uns ist, durch die wir aber erst fähig werden, seine Partner und Mitarbeiter zu sein!"

Worum handelt es sich aber beim „Vermögen Gottes"? Sein „Vermögen", sein „Kapital" ist seine grenzenlose Liebe. Und uns hat er einen Anteil, einige „tálanta" davon zu treuen Händen anvertraut, und durch uns könnte dieses „Anfangskapital" wachsen und immer mehr werden. Aber erst, wenn die Liebe sich aus-wirkt, also Wirkung zeigt, kann sie erfahren werden. Denken Sie daran: „Liebe ist das einzige, das mehr wird, wenn man es verschenkt". Daher ist das Schlimmste, was der Liebe passieren kann, wenn sie eingegraben, hinter die Mauern von Geboten, Vorschriften und Formeln versteckt wird - wie eine Lampe, die kein Licht verstrahlen kann, wenn sie unter einem Scheffel versteckt wird. Lieblose Menschen schaffen sich und anderen „Finsternis", Kälte und Unmenschlichkeit. Nicht Gott läßt sie dann heulen und zähneknirschen; sie selbst sind es, die durch ihre fehlende Liebe Elend Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit - also „Hölle" - schaffen.

AMEN

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