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2. Sonntag nach Weihnachten

Thema: Logo, oder?

Lesg./Ev.: Joh 1,1-18

gehalten am 03.01.1999 10:30h ESB von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium:

Joh 1:1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. 2 Im Anfang war es bei Gott. 3 Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt. 6 Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. 7 Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. 8 Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. 9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. 10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. 14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. 15 Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. 16 Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. 17 Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. 18 Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.

Predigt

Liebe Christen!

„Logo!" sagt Sven auf die Frage seiner Mutter, ob er die Rechenaufgabe verstanden habe.

Auf die Frage: „Haben sie den Prolog des Johannesevangeliums, das Sie gerade gehört haben, verstanden?" werden Sie vermutlich nicht „Logo!" sagen können (und ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin).

Wie ich auf „Logo!" komme? Na klar: Was in der Einheitsübersetzung als „Im Anfang war das Wort" übersetzt wird, heißt nämlich im Griechischen: „Im Anfang war der lógos"! - Logo?

Wenn Sie jetzt aber vermuten, daß „logos" nichts anderes bedeute als „Logik", dann liegen Sie leider falsch. „Im Anfang war die Logik" ist nämlich blanker Unsinn, so logisch es vielleicht klingen mag.

Der Begriff „logos" hat eine sehr breite Bedeutungspalette, vergleichbar etwa mit shalom, das viel mehr bedeuten kann als nur „Friede" - obwohl es in der Einheitsübersetzung meist so verwendet wird. Dieser griechische Begriff entspricht im Hebräischen dem Ausdruck „dabár"; auch das hat viele Varianten. Zwei solcher Bedeutungen greife ich heute einmal heraus.

Im Alten Orient verband sich mit dem gesprochenen Wort eine fast magische Vorstellung. Es kam sehr darauf an, wer ein Wort sagte: ein Leibeigener beispielsweise konnte ruhig seinem Nachbarn - ebenfalls ein Leibeigener - befehlen, seine Ernte einzubringen - mit null Wirkung. Sein Wort ist schwach, ohnmächtig.

Wenn aber der Grundbesitzer zum Leibeigenen etwas sagte, dann sah die Sache schon ganz anders aus: der mußte tun, was ihm befohlen wurde, beispielsweise den Weinberg jäten oder Holz schlagen; andernfalls wäre es dem armen Teufel schlecht ergangen.

Noch mächtiger ist natürlich das Wort eines Königs. Ein einziges Wort - und die Armee macht mobil, bringt ganze Völker um und vernichtet ganze Landstriche.

Wenn nun erst Gott, der allmächtige, der im All mächtige, etwas sagt, dann geschieht es unfehlbar. Sie brauchen nur einmal die erste Schöpfungsgeschichte in Genesis 1 durchzulesen: durch das bloße Wort Gottes entstand ja die gesamte Schöpfung. Im Lauf der Zeit stellte man sich in Israel dieses mächtige Wort Gottes wie eine Person vor, die wie ein Befehlsempfänger davoneilt, um das Gewünschte auszuführen, um dann mit einer Vollzugsmeldung zu Gott zurückzukehren.

Eine weitere Vorstellung, die mit „logos" bzw. „dabár" verbunden ist, hat mit dem Begriff „Weisheit" zu tun, die zunächst als bloße Sache, als Eigenschaft Gottes (wie noch im Buch Hiob oder Baruch) angesehen wurde, und später dann als Person, die sozusagen selbst göttlich ist (wie im Buch Jesus Sirach und besonders im Buch der Weisheit) gedacht wurde. Die ganze Schöpfung spiegelt ja die Weisheit Gottes wider, und so liegt es nahe, daß sie sozusagen von Anfang an dabei war, schon bei der Erschaffung der Welt.

Mit der „Weisheit" passiert nun im Lauf der Zeit dasselbe wie mit dem „Wort" - auch sie wird personifiziert, also als regelrechte Person vorgestellt.

Im Neuen Testament, und zwar speziell im Johannesevangelium, fließen nun beide Vorstellungen zusammen: diese „göttliche Weisheit" wird nun mit Jesus Christus identifiziert, die „fleischgewordene Weisheit", das „menschgewordene Wort Gottes".

Bei Gott, so meint Johannes, sei am Anfang erst einmal die Idee der Schöpfung gestanden, so wie ein Künstler zunächst einmal ein Projekt plant. Dann aber verwirklichte Gott diese Idee - „die Idee wurde Fleisch, Materie".

Das Ergebnis dieser Schöpfung können wir alle sehen. Und wenn man nicht blind dafür ist (wenn man nicht „in Finsternis lebt"), dann könnte man in der Schöpfung die Ideen und Gedanken Gottes wiederfinden; die Schöpfung ist ein „Spiegel", eine Offenbarung der Gedanken Gottes, so wie die Werke eines Künstlers ein „Spiegel" dessen Ideen sind.

Aber merkwürdigerweise wollen oder können viele Menschen diese Ideen nicht sehen. Sie beschränken sich auf das Vordergründige, das Materielle, das Endliche. Sie sind blind für den Sinn, die Ideen, die hinter dem Geschaffenen liegen.

Da nun - so sagt unser Evangelium weiter - ist das ewige Wort und wahre Licht selber in die Welt hereingekommen: „der Logos ist Fleisch geworden" - der Schöpfer wurde in der Person Christi zum Bruder seiner Geschöpfe, um ihnen nahe zu sein und ihnen die Augen zu öffnen für den Sinn der Schöpfung und für ihre ewige Bestimmung.

Und genau wie bei der „Uroffenbarung der Ideen Gottes", bei der Schöpfung, sind es auch hier wieder nur wenige, die sich von ihm ansprechen und verwandeln lassen. Diese aber haben hinter dem Menschen Jesus die Herrlichkeit Gottes erfahren und wurden dadurch verwandelt, neugeboren. Ihr Leben ist dadurch reich und sinnvoll geworden, wie es früher nie gewesen ist. Christus, das Licht der Welt, erleuchtet den Sinn unseres Lebens, macht die Ideen Gottes hinter der Schöpfung klar und deutlich - vorausgesetzt, man „ergreift" dieses Licht, man ist bereit, hinter die Materie, das Endliche zu schauen.

Die „Finsternis" weigert sich, tiefer zu blicken; sie will nicht wahrhaben, daß die ganze Welt, und vor allem Jesus selbst ein Gleichnis der Großartigkeit und Liebe Gottes ist, daß jeder, der die Natur und das Leben Jesu meditiert, die Eigenschaften und die Herrlichkeit Gottes sehen könnte. Für die „Finsternis" bleibt die Welt ein Ort, wo man geboren wird, ißt, trinkt, sich vermehrt und wieder in seine Bestandteile zerfällt - ohne Sinn und Ziel, hingegeben an selbstgeschaffene Güter und Götzen, die mit ihnen zusammen auch wieder ins Nichts verschwinden.

Die aber, die ihn, den menschgewordenen Logos, in Offenheit aufnahmen, können in der Welt ein Glück erfahren, wie es nur Gott geben kann, weil sie hinter allem Vergänglichen die Ideen, den Logos des unvergänglichen, ewigen Gottes sehen können. AMEN

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