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29. Jahressonntag

Thema: Steuern zahlen = Götzendienst?
Lesg./Ev.: Mt 22,15-22
gehalten am 17.10.1999 09:00h in ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium Mt 22,15-22

15 Damals kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen. 16 Sie veranlaßten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, daß du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person. 17 Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? 18 Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? 19 Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin. 20 Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? 21 Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! 22 Als sie das hörten, waren sie sehr überrascht, wandten sich um und gingen weg.

Predigt

Liebe Christen!

Hatten Sie schon einmal die Gelegenheit, eine echte römische Steuermünze aus der Zeit des Kaisers Tiberius zu betrachten? Solche Münzen gab es in drei verschiedenen Formen und wurden in der Reichsmünzstätte Lugdunum, dem heutigen Lyon, geprägt. Der Tiberius-Denar bestand aus Silber und war die maßgebliche Steuermünze für das ganze Reichsgebiet - und natürlich auch für Palästina, wo die heutige Evangelienszene spielt.

Sehen wir uns mal einen Denar näher an! Auf der Vorderseite ist der Kopf des Kaisers Tiberius aufgeprägt, geschmückt mit einem Lorbeerkranz. Obwohl das Portrait dem biblischen Bilderverbot zuwiderläuft und deshalb für jeden echten Juden ein Greuel war, ist das noch lange nicht das Schlimmste. Denn die umlaufende Schrift lautet in ihrem vollständigen Text (auf der Münze ist er nämlich abgekürzt): „TI(berius) CAESAR DIVI AUG(usti) F(ilius) AUGUSTUS"! Übersetzt: „Kaiser Tiberius, der erhabene Sohn des göttlichen Augustus!" Ein Skandal! Ein Mensch - und wenn es auch der Kaiser selbst war - gibt sich hier als Sohn eines Gottes aus!

Und die Rückseite ist nicht viel weniger anstößig: Die Kaiserin-Mutter Julia Augusta Livia sitzt da auf einem Götterthron, mit einem Szepter in der Rechten und einem Ölzweig in der Linken; und schließlich noch die textliche Fortsetzung der Vorderseite: „PONTIF(ex) MAXIM(us)" - also zu deutsch „Hoherpriester"! (Interessanterweise haben Päpste diesen Titel von den Römischen Gott-Kaisern übernommen!).

Diese Münze ist also geradezu ein Sprengstoffpaket. Eine echte Provokation für alle frommen Juden - und sicher war sie auch so gedacht.

Und noch ein letztes war gerade mit dieser Münze untrennbar verbunden: sie wurde für die sogenannte „Kopfsteuer" verwendet, die direkt an den Kaiser in Rom ging. Man läge falsch, wenn man diese Steuer mit der heutigen vergliche. Denn die Juden waren der festen Überzeugung, daß das „Heilige Land" ein Geschenk Gottes war, das diese „Römerschweine" zu Unrecht an sich gerissen hatten - und nun mußten die Beraubten auch noch dafür blechen! Nicht weniger als 62 Aufstände gab es deshalb in den Jahren der griechischen und dann römischen Besatzung.

Dieses Wissen im Hinterkopf können wir uns sicher vorstellen, welch gespannte Atmosphäre da auf dem Tempelvorplatz herrschte. Jesus von einer Menge Leute umstellt - auf der einen Seite Sadduzäer, also Mitglieder von etwa vierzig Familien, die mit den Besatzern kollaborierten, um ihre Macht und ihren Einfluß als Tempelpriester zu behalten - auf der anderen Seite römerhassende Fromme, besonders die gesetzesstrengen Pharisäer und Anhänger des Herodes Antipas, des Landesherrn Jesu, der diesem auch nicht gerade wohlgesonnen war.

Von den frommen Pharisäern geht schließlich auch die gemeine Fangfrage aus: „Rabbi, ist es uns erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen - oder nicht?"

Was immer Jesus darauf antworten wird - es wird falsch sein. Entweder kommt er in Konflikt mit den Römern und gilt als Rebell und Hinrichtungskandidat, oder er wird von den konservativen Juden gehaßt und verliert jede Glaubwürdigkeit, was Lehre und Ansehen als Messias betrifft.

Aber Jesus legt man so leicht nicht herein. In unglaublich intelligenter Weise dreht er erst einmal den Spieß um: „Hat mal einer von euch so eine Münze da?" Ahnungslos wühlen einige in ihren Taschen und fischen einen Denar heraus. Und schon haben sie sich verraten: fromme Juden wollen das sein, und tragen solch einen dreckigen, gotteslästerlichen Taler mit sich? - Zugleich macht Jesus indirekt deutlich, daß ER keinen besitzt!

„Na, und wessen Bildnis und Aufschrift ist da drauf?" - und damit müssen alle Anwesenden den Eindruck haben, Jesus wisse nicht einmal, wie diese „Münze des Anstoßes" aussieht! Zugleich wird deutlich, daß dieses Zahlungsmittel Eigentum des Staates, also Besitz des Kaisers ist.

Nun antwortet Jesus in einer äußerst raffinierten Weise. „Apódote oun tà Kaísaros Kaísari kaì tà tou theou to theo!" Meist wird diese Stelle so verstanden, wie wir sie im Evangelium gehört haben: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" Dabei übersieht man aber ein wichtiges Detail: „apódote" heißt nämlich nicht einfach nur „geben", sondern müßte mit „zurückgeben" übersetzt werden.

Das Raffinierte daran besteht darin, daß jeder etwas anderes heraushören muß: die Römertreuen verstehen es so, daß man dem Kaiser das ihm Zustehende geben soll - die frommen Juden aber in der Weise, daß man dieses sündige Geld gar nicht erst gebrauchen soll, sondern es dem zurückzugeben hat, dem es auch gehört!

Und was Jesus meint, wenn er vom dem redet, was Gottes ist, das dürfte seinen Zuhörern nicht unbekannt sein - Ehrfurcht, Dankbarkeit und Liebe, die weit über die Einhaltung der Tora, der Gesetze hinausgeht.

So zieht sich also Jesus elegant aus der Affäre - und schadenfroh über die dummen Gesichter können wir ihm unseren Applaus spenden.

Liebe Christen,

so interessant es auch sein mag, solche Begebenheiten zu analysieren - Mattäus hätte sie trotzdem nicht in sein Evangelium aufgenommen, wenn sie nicht den späteren Generationen etwas zu sagen hätten. Aber das ist gar nicht so leicht! Denn - wie gesagt - das Steuersystem damals läßt sich wirklich nicht mit dem heutigen vergleichen. Wir sehen den Staat nämlich nicht als widerrechtlichen, ja widergöttlichen Besatzer, sondern als Gemeinschaft, in der jeder seinen Anteil für das Gemeinwohl zu leisten hat. Daher muß man heute eine Steuerhinterziehung als Betrug an der Gemeinschaft ansehen und unrechtmäßige Sozialbezüge als Diebstahl, denn jede Mark, die ich mehr bekomme, als ich verdient habe, ist Unrecht, das gilt für Bürger genauso wie für Politiker. Umgekehrt ist es Unrecht, wenn unsere Steuern zu großzügig oder zu leichtfertig für unsinnige oder unnötige Dinge ausgegeben werden - vielleicht sollten da manche Behörden oder Dienststellen sich einen Beichtspiegel vor die Nase halten!

Gut, das alles ist heute anders zu sehen als im geschundenen Palästina zur Römerzeit.

Was aber auch für uns Heutige bleibt, ist der zweite Teil der Antwort Jesu: „Gebt Gott, was ihm gehört!" Und was wir Gott zu geben haben, wird nicht in Gesetzestexten zu finden sein, sondern letztlich nur in meinem Herzen, meinem Verantwortungsgefühl und meinem Gewissen erkannt. Gott zu geben, was er uns zuerst gegeben hat, seine Liebe also, bedeutet letztlich, auf seine grenzenlose Liebe zu antworten. Und da es das Wesen der Liebe ist, weitergegeben zu werden, schließt sich der Kreis: Solidarität dem Staat gegenüber, Toleranz, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe den einzelnen gegenüber ergeben sich dann ganz von selbst.

Dem „Kaiser" zu geben, was sein Recht ist, hat einen genau festgelegten Umfang - aber Gott zu geben, was Gottes ist, kennt keine Grenzen und keine Beschränkung.

AMEN

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