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22. Jahressonntag

Thema: Das Kreuz nachtragen
Lesg./Ev.: Mt 16,21-26
gehalten am 29.08.1999 09:00h in Eschenbach
von E. Gottsmann, OStR

 

 

Evangelium Mt 16,21-27

16, 21 Von da an begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.

22 Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! 23 Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

24 Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 25 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. 26 Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?

Predigt

Liebe Christen!

Erinnern wir uns an das Evangelium des letzten Sonntags: Jesus hatte Petrus ein riesiges Kompliment gemacht: „Du bist ein Fels, auf den man sich verlassen kann!"

Und kurz darauf räumt er ihn gewaltig zusammen: „Geh weg, hinter mich, du Satan, du bist eine Falle für mich!" - so heißt es in wörtlicher Übersetzung.

„Geh hinter mich" das heißt soviel wie: „Geh wieder zurück in die Reihe der Jünger, die noch zu lernen haben, denn du hast überhaupt noch nichts kapiert!" Dazu muß man wissen, daß die Talmidim, die Schüler eines Rabbi also, hinter dem Meister einherzugehen hatten.

Zuerst also die eindeutige Freude Jesu, daß wenigstens Petrus seine Sendung verstanden hatte, und nun der extreme Tadel, daß er ihn nicht verstehen könne und daß er ihn von seinem Auftrag abhalten wolle.

Was war da passiert?

Verfolgen wir einmal kurz den inneren Weg Jesu, den er seit seiner Taufe im Jordan verfolgt hatte. Jesus, dem einfachen tektôn, also dem Handwerker aus Nazaret, wurde bei der Taufe plötzlich klar, daß er berufen sei, die unendliche und unverlierbare Liebe Gottes - mit einem biblischen Wort: das Reich Gottes - allen Mitjuden bekanntzumachen.

Aber wie sollte das geschehen? Mehrere Möglichkeiten gingen Jesus immer wieder durch den Kopf: „Gib den Leuten Brot, Arbeitsplätze, Wohlstand - dann laufen sie dir nach!" diese Versuchung fühlte Jesus sicher nicht nur in der Wüste, bei der Vorbereitung auf seine Sendung, in sich. Oder vielleicht führt folgende Methode zum Ziel?

„Befriedige ihre Sensationslust, dann werden sie dir wie einem Guru folgen!" Und schließlich: „Schließe einen Kompromiß mit der Welt; arrangiere dich auch mit illegalen Mitteln! Schließlich heiligt doch der Zweck die Mittel?"

All diese Versuchungen, die ihm natürlich nicht von außen zugeflüstert wurden, sondern in seinem Inneren auftauchten, waren in Wirklichkeit „satanisch", „diabolisch". „Satán" - das hebräische Wort heißt nämlich Feind, Widersacher - und diábolos, die griechische Entsprechung, heißt „Auseinanderbringer". All diese Methoden, so wirksam sie kurzfristig auch sein mögen, bringen also in Wirklichkeit von dem weg, was Gott will. Nicht durch Blöffen, Vorspiegeln falscher Tatsachen oder unrechten Mitteln will Gott die Menschen für seine Liebe gewinnen, sondern allein durch ihre freie Entscheidung! Denn Liebe zwingt niemals, sie achtet stets den freien Willen des anderen, selbst wenn der andere den Weg ins Unglück wählt (siehe das Gleichnis vom „Verlorenen Sohn"!).

Immer wieder muß sich Jesus dazu durchringen, im Sinne Gottes zu leben, sich von seinem Willen leiten zu lassen. Am Anfang ist das noch gar nicht so schwer: da laufen ihm die galiläischen Leute förmlich nach. Je mehr aber, die „Schriftgelehrten und Pharisäer", die „Ältesten und Hohenpriester", die jüdische Behörde also, von seinen Aktivitäten erfährt, desto mehr wendet sich das Blatt. Es kommt sogar soweit, daß der Hohe Rat beschließt, diesen Ketzer und Volksverhetzer zu beseitigen - wenn er ihn zu fassen kriegt! Und Jesus ist sich dessen bewußt, daß es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann er „aus dem Verkehr gezogen wird" - sicher fehlte es nicht an wohlmeinenden Warnungen jerusalemischer Freunde.

Nicht umsonst befindet sich Jesus momentan im heidnischen Gebiet von Cäsarea Philippi, das nicht dem feindlichen Herodes Antipas, sondern dessen freundlicherem Bruder Philippus untersteht. Hier ist er relativ sicher vor der Verhaftung, hier hat er ein wenig Ruhe, sich mit seinen Schülern zu unterhalten.

Haben wenigstens sie verstanden, worum es ihm ging? Haben wenigstens sie erkannt, daß er nichts anderes tun wollte, als den für alle heilsamen Willen Gottes?

„Ja, du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!" hatte Petrus bekannt. Gottseidank! Wenigstens einer hat es begriffen. „Sohn Gottes" - in semitischer Sprachweise einer, der ganz im Sinne Gottes denkt und handelt! Diesem Petrus kann ich meine Sendung anvertrauen; er wird weitermachen, wenn ich zu Tode komme, wenn die Pforten der Unterwelt mich verschlingen, wie die Juden es ausdrücken. Um mich selbst habe ich keine Angst. Denn anders als die Sadduzäer glaube ich ja daran, daß Gott die Toten auferweckt - daher wird er auch mich auferwecken; wie er in der bekannten Geschichte den Jona nach drei Tagen aus dem Bauch des Seeungeheuers befreit hat, so läßt er auch mich nicht im Tod.

[Nebenbei bemerkt: wieder einmal ein Übersetzungsfehler der Einheitsübersetzung; im griechischen Urtext ist nicht die Rede von „Auferstehung", sondern von „Auferwecktwerden" - ein gewaltiger Unterschied!]

Um mich selbst ist mir also nicht Angst. Aber wird mein Auftrag weitergehen? Wie gesagt: wenigstens Petrus hat erkannt, worum es geht. Er wird der Grundstein des Neuen Gottesvolks sein, er wird auch nach meinem Tod den Menschen den Zugang zu Gott erschließen, er wird die Probleme der jungen Glaubensgemeinschaft in Griff haben, indem er „bindet und löst", also verbindliche Entscheidungen trifft. Nun kann ich beruhigt meinen Gang nach Jerusalem antreten, ein Gang, der keine Wiederkehr kennt. Und ich muß es tun, so schwer es mir fällt, denn ich habe mich entschlossen, auch weiterhin den Auftrag Gottes zu erfüllen, mit allen Konsequenzen.

Vorsichtig eröffnet Jesus seinen Freunden diese Gedanken. Und dann der Schock! Petrus nimmt ihn in den Arm (proslaboménos) und sagt entsetzt: „Gnädig sei dir der Herr - keinesfalls soll dir das geschehen! Mach das ja nicht! Lauf doch nicht in dein Verderben!"

Jesus starrt ihn entgeistert an. Also hat Simon doch nichts verstanden, überhaupt nichts! Weder, was für ihn „Messias", also „Christus" bedeutete, noch, wofür er lebte und sogar sterben wollte. Petrus war also doch in seinen eigenen, menschlichen Vor-Einstellungen und Vor-Urteilen gefangen, die ihm wichtiger waren, als sich täglich von Gott zeigen zu lassen, was zum Heil dient!

Und noch schlimmer: gerade einer seiner besten Freunde drängt ihn, das zu tun, womit ihn auch seine inneren Versuchungen attackiert hatten, und die er immer wieder mühsam abgewehrt hatte. Und nun gar der folgenreiche Weg nach Jerusalem, der Weg in den Tod. Wie schwer ist es ihm, Jesus, gefallen, auch dazu „Ja" zu sagen, weil es allem Anschein nach der Wille Gottes war und es daher sein „mußte". Und nun will ausgerechnet Petrus, in den er alle Hoffnung gesetzt hatte, ihn davon abbringen?

Nicht zornig, nein, enttäuscht und tief traurig schaut Jesus seinen Freund an: „Wenn du mich jetzt mit solchen Worten bedrängst, dann wirst du zu meinem Satan, meinem diabolos, zu meinem Versucher. Hast du denn nicht verstanden, daß ich einfach tun muß, was im Sinne Gottes, also im Geist der Liebe ist?
Wenn du das in all den Monaten nicht von mir gelernt hast, dann geh wieder zurück in die Reihe der Schüler, und lerne weiter von mir. Vielleicht verstehst du dann irgendwann, daß nicht die irdische Existenz, das körperliche Leben das Entscheidende ist, sondern Gott selbst, das wahre Leben? Und dahin findet keiner selbst; dahin muß man sich schon von dem führen lassen, der allein die Übersicht besitzt - von Gott.

Und nun zu euch, die ihr lange nach Petrus und den anderen Schülern lebt: glaubt ihr, in einer besseren Position zu sein? Glaubt ihr, neben mir hergehen zu können, sozusagen als „Meister unter sich"? Glaubt ihr gar, stellvertretend also, an meiner Stelle den Meister spielen zu können?

Geht auch ihr einen Schritt hinter mir, als Schüler, die nie genug gelernt und erkannt haben, ob ihr nun „Laien", Priester, Bischöfe oder Päpste seid! Lernt auch ihr von mir, damit euer Weg nicht durch Illusionen, Sehnsüchte, Wünsche und Machtgelüste zum Irrweg wird, sondern zu einem Weg, der zum wahren Leben, zum Glück, zu Gott führt.

AMEN

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