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18. Jahressonntag

Thema: Hoffnung teilen
Lesg./Ev.: Mt 14,13-21
geschrieben am 25.07.1999
von E. Gottsmann, OStR

 

Evangelium

13 Als Jesus all das hörte, fuhr er mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber die Leute in den Städten hörten davon und gingen ihm zu Fuß nach. 14 Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken, die bei ihnen waren.
15 Als es Abend wurde, kamen die Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist abgelegen, und es ist schon spät geworden. Schick doch die Menschen weg, damit sie in die Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können. 16 Jesus antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! 17 Sie sagten zu ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns. 18 Darauf antwortete er: Bringt sie her! 19 Dann ordnete er an, die Leute sollten sich ins Gras setzen. Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten, 20 und alle aßen und wurden satt. Als die Jünger die übriggebliebenen Brotstücke einsammelten, wurden zwölf Körbe voll.
21 Es waren etwa fünftausend Männer, die an dem Mahl teilnahmen, dazu noch Frauen und Kinder.

Predigt

Man nehme zwei ausgenommene und gewaschene Fische mit festem Fleisch - am besten wären solche aus dem See Genezaret - köchle sie zusammen mit Zwiebelringen aus 2 kleineren Zwiebeln, Salz und Pfeffer in 600 ml Wasser, bis sie gar sind, aber nicht auseinanderfallen.

Den Fisch stellen wir einstweilen zur Seite, geben zum Sud nochmals soviele Zwiebelringe, 2 Lorbeerblätter, 300 ml Essig, ein paar Limonenscheiben, 1 EL Honig und eine Gewürzmischung aus Dillsamen, Senfkörnern, Koriandersamen, Nelken und schwarzen Pfefferkörnern, koche das ganze nochmals auf und gieße es über den Fisch. Abkühlen und einen Tag lang ziehen lassen.

Voilà - die opsária, also die eingelegten Fische des heutigen Evangeliums wären bereit zum Genuß!

Ob die klásmata, die 5 Gerstenfladen, genauso zu empfehlen sind, bezweifle ich. Das ist ein typisches Arme-Leute-Brot: 450 ml heiße Milch, ¼ TL Salz, 3 EL Honig und 700g Gerstenmehl (vielleicht noch 175g Rosinen) werden zusammengeknetet, zu Kugeln geformt und zu Fladen gedrückt. In heißem Öl oder auf einem heißen Stein werden sie gebacken - fertig sind die Brote.

Liebe Christen!

Warum ich Ihnen die beiden Rezepte verraten habe? Na, weil die eingelegten Fische und das Gerstenbrot sozusagen die Hauptdarsteller des heutigen Evangeliums sind!

Mattäus (im übrigen auch die anderen Evangelisten) scheint da nicht so ganz meiner Meinung zu sein. Für ihn sind Brot und Fische nur literarische Mittel, um uns etwas anderes, viel Bedeutungsvolleres nahezubringen. Um das zu entdecken, brauchen wir für ein paar Minuten die Augen (und das Hirn) eines bibelkundigen Zeitgenossen Jesu, eines Juden also.

Welche Gedankenverbindungen schießen uns dann bei der Lektüre dieser Schriftstelle durch den Kopf?

Zunächst scheinen die vielen Menschen alles liegen und stehen gelassen zu haben, um Jesu Worte zu hören. Sie laufen ihm sogar an einen „abgelegenen Ort" voraus, solchen „Hunger nach einem Wort des Herrn" haben sie - ein Zitat des Propheten Amos übrigens.

Einsamer Ort: damit assoziieren wir als jüdische Bibelkenner sofort die Wüste, in der das Volk Israel jahrelang unterwegs war, in der Hoffnung, ins Gelobte Land einziehen zu können.

Voll Mitleid mit diesen orientierungslosen Menschen will Jesus ihnen wieder Sinn und Lebensinhalt vermitteln. Wie ein Hirte die Schafe, läßt er sie „auf grünen Auen" lagern - eindeutig eine Anspielung auf Ps 23.

Bevor wir weiter assoziieren, schauen wir uns eine etwas peinliche Szene näher an:

Während die Leute stundenlang an den Lippen des Meisters hängen und gar nicht genug bekommen von seinen froh- und heilmachenden Worten, beginnen die Jünger langsam wepsig zu werden. Ihr Magen knurrt, sie können schon nicht mehr ruhig sitzen. Sie klopfen sozusagen auf ihre Armbanduhr: „Du, Rabbi, schau doch mal, wie spät es schon geworden ist. Schick doch die Menschen weg, die sollen sich in der Umgegend selbst mit Nahrung versorgen!"

Eigentlich hätten die Jünger den Meister kennen müssen. Wenn es um das Heil des Menschen geht, um das wirkliche, existentielle Heil, dann kennt er weder Hunger noch Durst.

Wie war das damals bei der Samariterin am Brunnen, als die Jünger ihn zu essen nötigten? „Danke - ich hab keinen Hunger. Ich lebe von einer Speise, die ihr nicht kennt!"

Und hier, in der Einöde, ist es genauso. Und auch jetzt bleibt er dabei, von einer ganz anderen Nahrung zu reden, als der, die seine Schüler meinen.

„Diese Nahrung, nach der all diese Menschen so hungern, kann man gar nicht kaufen. Diese Nahrung, die vom Himmel herabkommt und ewiges, beglückendes Leben schenkt, muß man weiterschenken, auch an andere verteilen!"

Nun muß man wissen, daß Juden die Bibel, also das Erste Testament, in drei Gruppen eingeteilt haben. Die Tora, also die fünf Bücher Mose, eine kräftige, praktische Kost wie Gerstenbrote - Gebote und Weisungen Gottes sind darin enthalten. Sodann die Bücher der Propheten und drittens die „Schriften", zu denen allerlei „Gemischtes" gehört, wie Psalmen, Weisheitssprüche, geschichtliche Erzählungen - jede Gruppe wie ein wohlschmeckender und verschieden gewürzter „Mixed-Pickles-Fisch".

Dieser Vergleich ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Denn die Rabbinen, die Lehrer der Heiligen Schrift, verglichen tatsächlich die Tora mit der Hauptnahrung Brot.

Und wenn wir schon bei der Zahlensymbolik jüdischer Autoren sind: auch die 12-Zahl der Körbe, voll mit Übriggebliebenem, ist von Bedeutung! Aus 3 - der Gotteszahl und 4 - der Weltzahl bestehend, bildet 3*4 die 12 - die Zahl der göttlichen Fülle - oder auch einfach die Zahl der Ganzheit, der Vollkommenheit.

So sind die 12 Stämme Israels (die es zur Zeit Jesu längst nicht mehr gab) ein Symbol für die Gesamtzahl des jüdischen Volkes, und die 12 Apostel sind dessen Repräsentanten.

Daher ist völlig klar, was Mattäus deutlich machen will: Jesus schenkt den Menschen etwas, das sich niemand kaufen kann: geistliche, seelische Nahrung, die ihren Ursprung in Gott selbst hat. Sie ist wie Wasser, das den seelischen Durst für immer stillen kann, sie ist wie Brot, das den seelischen Hunger auf Dauer befriedigt.

Die Leute, die an seinen Lippen hängen, beweisen ja, wie „verhungert" und sehnsuchtsvoll ihre Seele ist.

Aber was Jesus tut, müssen auch die tun, die von seinen Worten satt geworden sind. Wie das Wasser der Frohbotschaft, das meinen Seelendurst gestillt hat, in mir selbst zur sprudelnden Quelle werden kann (wie Johannes Jesus in der Brunnenszene sagen läßt), und so auch für andere zum Labsal wird, so soll ich auch seine Lehre, sein froh- und heilmachendes „Seelenbrot" an andere verteilen, damit auch deren Sehnsucht nach Lebenssinn gestillt wird.

Und keine Angst: es wird reichen. Liebe, Leben, Glück - also Gott selbst - werden ja nicht weniger, wenn man sie austeilt; im Gegenteil: sie sind unerschöpflich, die ganze Menschheit kann damit ein erfülltes, gesättigtes Leben erhalten - und es bleibt sogar noch eine Menge übrig!

Solange wir uns noch in der Rolle eines Schriftkundigen befinden, möchte ich schließlich ein letztes „Schmankerl" präsentieren, das Mattäus im Visier hat.

Folgende Geschichte war damals jedem Kind bekannt (und meine Schüler kennen sie auch): Der Prophet Elija zeigt sich einer Witwe dankbar, indem er ihren Mehltopf nicht leer werden und ihren Ölkrug nicht versiegen läßt - ein Mehl- und Öl-Vermehrungswunder also.

Und auch eine weitere Geschichte kannte damals jeder: auch der Schüler des Elija, Elischa, konnte Öl vermehren, und mehr noch: er speist 100 Männern mit nur zwanzig Gestenbroten! Auch bei ihm bleibt noch etwas übrig!

Wenn nun der große Elija eine Witwe mit deren Sohn über die Hungerszeit hinüberrettet; Elischa gar hundert Männer mit zwanzig Gerstenbroten sättigt, Jesus aber mit nur fünf Gerstenbroten und zwei Fischen weit über 5000, was folgt dann daraus? Nun, Jesus ist weit größer als Elija, ja größer sogar als Elischa!

Und noch ein letztes: ähnlich wie Mose seinem Volk auf der Wüstenwanderung Man-hu, also vergängliches „Brot", erwirkt, so sättigt auch Jesus in der „Wüste" (der „einsamen Gegend) ganze Volksscharen mit Brot, aber mit einem wahren Brot vom Himmel, das nicht vergänglich ist und das auf Dauer satt machen kann.

Ja, und unsere Rezepte? Die können Sie ja ruhig mal ausprobieren. Aber machen Sie es nicht wie die Jünger, die an der Oberfläche, im Irdisch-Vergänglichen stecken geblieben sind. Hauptsache, der Bauch ist voll!

Machen Sie lieber Brot und Fisch zum Symbol, zum Zeichen für eine Speise, die nötiger ist als jede irdische Nahrung!

AMEN

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