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Fest des Diözesanpatrons St. Wolfgang 1999

Thema: Kurzbiographie des hl. Wolfgang
gehalten am 31.10.1999 um 9:00h in Eschenbach
von Eberhard Gottsmann, OStR

Predigt

Liebe Christen!

Gegen meine sonstige Gewohnheit, Ihnen Evangelium oder Lesung näherzubringen, möchte ich heute einmal die Lebensgeschichte eines hochinteressanten Mannes erzählen, der für unsere Diözese eine große Bedeutung hat. Es handelt sich um Bischof Wolfgang, einen der Patrone unseres Bistums.

Als der kleine Schwabe - ein Landsmann unseres Bischofs Manfred! - etwa im Jahre 925 geboren wurde, waren die Zeiten unsicher und gefährlich. Immer wieder stießen nämlich ungarische Reiter mordend und plündernd auch nach Bayern vor, qualmende Ruinen und verstümmelte Leichen hinterlassend. Erst 30 Jahre später, im Jahre 955, gelang es Kaiser Otto I., mit Hilfe des Augsburger Bischofs Ulrich, diese Plage vernichtend zu schlagen.

Wolfgang hat Glück: in der Klosterschule Reichenau, die der begabte Zehnjährige besuchen darf, kann er ungestört alles lernen, was ein gebildeter Mensch damals so wissen und können mußte. Unter den Mitschülern schließt er mit einem Adeligen Freundschaft, Heinrich von Babenberg. Dessen älterer Bruder Poppo ist ein bedeutender Mann: er ist Bischof von Würzburg und später sogar Erzkanzler des Kaisers. Und dieser Bruder möchte, daß Heinrich zu ihm nach Würzburg kommt an die von ihm neugegründete Domschule - und Wolfgang darf mit. Ein begabter junger Mann! Es wird erzählt, daß ihn seine Mitschüler regelmäßig um Erklärungen baten, wenn der Lehrer wieder mal nicht gut genug erklärt hatte - sehr zum Ärger mancher Lehrer!

Im Jahr 956 macht sein Freund Heinrich einen großen Karrieresprung: König Otto erhebt ihn zum Erzbischof von Trier! Und nun zeigt sich, wie bedeutungsvoll diese Freundschaft für Wolfgang war. Heinrich holt ihn nach Trier, um dort die Leitung der Domschule zu übernehmen. Wohlgemerkt: so mönchisch Wolfgang auch lebt - er ist noch immer im Laienstand, er ist noch kein Priester - und trotzdem bildet er künftige Priester aus!

Aber nicht genug: Heinrich schätzt den Freund so sehr, daß er ihn sogar zum Chef des Domkapitels, zum Domdekan ernennt, ihn, den Laien! Aber da bekommt er einigen Ärger: er führt eine strenge gemeinsame Lebensordnung für die Domkapitulare ein und schafft sogar deren Privateigentum ab! Damit liegt er zwar im Trend der Zeit - überall gibt es Bestrebungen, das lockere Leben der Weltpriester wie der Mönche im Sinne des heiligen Benedikt zu reformieren - aber die Betroffenen werden ihm wohl nicht besonders dankbar gewesen sein.

Da passiert etwas Tragisches: sein Freund Heinrich, der Herr Erzbischof, muß nämlich König Otto bei seinen Heereszügen begleiten. Und der zieht wieder mal nach Italien, diesmal, um sich in Rom die Kaiserkrone zu holen. Und so geschieht es, daß Erzbischof Heinrich im Heerlager des Kaisers an einer Seuche stirbt. Vor seinem Tod bittet Heinrich noch den Kaiser, auf seinen Freund aufzupassen, denn der hatte - wie erwähnt - wegen seines Reformeifers inzwischen nicht wenig Feinde.

Der Kaiser verspricht es ihm - und tatsächlich holt der Wolfgang an seine kaiserliche Kanzlei in Köln. Sein Chef, Erzbischof Bruno von Köln, schlägt ihm vor, sich zum Bischof weihen zu lassen. Aber da stellt sich heraus, daß Wolfgang nichts mit Karriere am Hut hat. Jetzt vierzigjährig, möchte er lieber Aussteiger spielen. Am angenehmsten wäre ihm, als Einsiedler ein strenges, frommes Leben zu führen. Er besucht ein letztes Mal seine hochbetagten Eltern, verteilt sein Erbe unter den Verwandten und macht sich auf den Weg nach Kloster Einsiedeln.

Dort wird die Benediktinische Regel besonders streng befolgt - und genau das paßt unserem Wolfgang. Er legt dort die Mönchsgelübde ab und widmet sich ganz dem „Ora et labora" und der Askese.

Da kommt - wie schon öfter - Bischof Ulrich von Augsburg im Kloster zu Besuch. Was, hier lebt ein Landsmann, ein Schwabe, und noch dazu ein besonders frommer und asketischer? Diesen Mann muß man doch zum Priester weihen! - Und so empfängt Wolfgang als 43jähriger, als „Spätberufener" sozusagen, die heiligen Weihen und wird - wieder mal - Lehrer an der Klosterschule.

Aber das entspricht nicht dem, was Wolfgang vorschwebt. Die Ungarn gehen ihm nicht aus dem Kopf. Besiegt sind sie ja nun, aber - sie sind noch immer Heiden! Mit Erlaubnis seines Abtes, dem er ja zum Gehorsam verpflichtet ist, macht er sich auf den Weg. So einfach, wie Wolfgang sich das vorstellt, ist es aber auch nicht, diese Menschen zum Christentum zu bekehren. Kein Mensch unterstützt ihn, und vor allem: lernen Sie mal in so kurzer Zeit Ungarisch! Da kann man noch so begeistert predigen - aber wenn einen keiner versteht, hilft die ganze Begeisterung nichts.

Da wird er plötzlich nach Passau zitiert. Bischof Pilgrim ärgert sich, daß da ein „umherschweifender Mönch" ohne Erlaubnis einfach so herummissioniert, auf einem Gebiet, für das einzig und allein der Bischof von Passau zuständig ist! Wo kämen wir da hin, wenn das jeder machen würde! Aber als der Herr Bischof den Wandermönch „ins Gebet nimmt", muß er feststellen, daß der eifrige Wolfgang durchaus respektabel ist. Und als die Kunde nach Passau gelangt, Bischof Michael von Regensburg sei gestorben, da schickt der Passauer Bischof sofort Boten in die freie Reichsstadt, um dem Kaiser Wolfgang als neuen Bischof vorzuschlagen.

Ein Wunder geschieht: Mitregent und Kaisersohn Otto II. entscheidet sich doch tatsächlich für den „armen und unbekannten Mönch", obwohl es Bewerber aus alten und vornehmen Geschlechtern gegeben hätte!

Bischof Pilgrim redet ihm zu wie einem kranken Gaul - denn immer noch hat Wolfgang kein Interesse an irgendeiner Karriere. Aber schließlich stimmt er doch zu und läßt sich von kaiserlichen Gesandten nach Regensburg geleiten, wo er von Klerus und Volk einstimmig zum Bischof gewählt wird.

Haben Sie gut zugehört: auch das Volk hatte damals mitzubestimmen! Ich habe den Verdacht, daß damals die Kirche demokratischer war als heute.

Als Bischof war Wolfgang aber zugleich Beamter des Kaisers. So empfängt ihn die kaiserliche Familie in Frankfurt, wo er aus der Hand des Kaisers Schwert und Ring als Zeichen der weltlichen Gewalt erhält. In Regensburg dagegen überreicht man ihm den Hirtenstab als Zeichen seiner geistlichen Würde, und mehrere hochkarätige Erzbischöfe (darunter auch Pilgrim) erteilen ihm die Bischofsweihe.

Kaum Bischof, setzt sich Wolfgang schon wieder in die Nesseln. Um das zu verstehen, muß man wissen, daß sich damals das Regensburger Missionsgebiet auf ganz Böhmen erstreckte. Und was tut Wolfgang: er beschließt, daß Böhmen von Regensburg abgetrennt und ein eigenes Bistum werden soll! Das Domkapitel protestiert heftigst: dieser riesige finanzielle Verlust!!

Aber Wolfgang sagt - ich zitiere wörtlich: „Gerne opfere ich mich selbst und das Meinige auf, damit dort die Kirche erstarke und das Haus des Herrn festen Boden gewinne!" Immer noch der gleiche Wolfgang; auch das neue Amt und die damit verbundene Macht hat ihn nicht verderben können. Nicht um Einfluß oder Geld geht es ihm, sondern allein um das Wohl der Kirche in diesem Lande.

Und noch etwas tut Wolfgang, das seine Bescheidenheit deutlich macht: er trennt die Abtwürde des bedeutenden Klosters St. Emmeram vom Bischofsamt, obwohl der Regensburger Bischof jahrhundertelang beide Ämter in sich vereinte. Auch da ging es selbstverständlich um Geld (der Bischof entzog nämlich dem Kloster immer wieder einnahmen) - es ging aber auch um die Klosterdisziplin. Denn wenn der Abt aufgrund seiner bischöflichen Verpflichtungen fast nie im Haus weilt, „tanzen die Mönchsmäuse auf dem Tisch herum".

So setzt er seinen Freund Ramwold als Abt von Emmeram ein, der ganz im Sinne Wolfgangs strenge Reformen einführt (sicher sehr zum Ärger der Mönche). Auch bei den drei Damenstiften Ober- Mittel- und Niedermünster will der neue Bischof reinen Tisch und sie zu strengen Frauenklöstern machen; aber diesmal beißt er auf Granit. Die Äbtissin von Niedermünster, Herzogswitwe Judit, macht diese Reformen einfach nicht mit - und so bleibt das Damenstift eher ein fideles Altersheim für adelige Damen. Obermünster untersteht sowieso dem König; nur Mittelmünster gehorcht dem Bischof. Aber nicht lange: nach Wolfgangs Tod schwenkt auch Mittelmünster wieder zur lockeren Lebensform der Stiftsdamen über.

Bei den Herren hat er mehr Erfolg: sein Hobby, die Lebensordnung von Gemeinschaften zu regeln und strenge Sitten einzuführen, ließ ihn nicht ruhen, bis er die Domherren zu gemeinsamem Gebet, aber auch zu gemeinsamem Wohnen, Essen, Schlafen und Stillschweigen verpflichtet hatte, nach dem Motto: „Wenn ich streng und asketisch lebe, dann schadet das auch den anderen nicht!"

Dieses Hobby erstreckte sich aber nicht nur auf Regensburg. Der aufständische Bayernherzog Heinrich den Zänker, der Otto II. die Königskrone streitig machte, eroberte nämlich die Bischofstadt - und so war es das beste für Wolfgang, auf die Besitzungen in Niederösterreich und im Salzkammergut auszuweichen. Und was tat Wolfgang dort? Richtig: er reformierte! Aber natürlich kümmerte er sich auch um die Beseitigung der Schäden, die die Ungarn hinterlassen hatten, natürlich ließ er auch eine ganze Reihe von Kirchen bauen, sogar eine Burg, um die Leute vor möglichen Ungarneinfällen zu schützen. Der Abersee im Salzkammergut wird heute nach unserem Bischof „Wolfgangssee" genannt; sicher geht das auf Wolfgang persönlich zurück.

Ich erspare mir, von den Kriegszügen zu erzählen, die Wolfgang als Fürstbischof zusammen mit dem Kaiser unternehmen mußte; ich erzähle auch nicht, wie er sich und das Heer vor den feindlichen Franzosen durch ein Marathonschwimmen über einen reißenden Fluß in Sicherheit brachte - dazu ist die Zeit zu knapp.

Aber das muß ich erwähnen: daß er in einem Hungerjahr die bischöflichen Kornspeicher allen Bedürftigen öffnete; daß er in seiner Küche auch für die Armen mitkochen ließ, und daß er selbst kein besseres Kleid, keine feineren Speisen und kein weicheres Bett haben wollte als zuvor, als er noch kein Fürstbischof war.

Irgendwann muß nun auch ein heiliger Bischof sterben. Und das geschah, als er wieder einmal die österreichischen Besitzungen besuchen wollte. In Pupping an der Donau (Oberösterreich) befällt ihn ein heftiges Fieber; er läßt sich an Land bringen und empfängt in der dortigen Kapelle Beichte und Kommunion. Dann legt er sich auf den blanken Fußboden und stirbt zur Abendzeit des 31. Oktober 994, siebzig Jahre alt. Seine letzten Worte waren: „Mag jeder an unserem Sterben sehen, wovor er sich bei seinem Tode fürchten und hüten soll. Gott erbarme sich meiner als eines armen Sünders, der nun sterben muß, als auch eines jeden, der ängstlich und demütig zuschaut."

Seine Leiche wird vom Salzburger Erzbischof nach Regensburg überführt, wo er schließlich im Emmeramskloster bestattet wird.

Nach fast einem halben Jahrhundert wird er von der Kirche heiliggesprochen; sicher wegen seiner stengen Lebensweise und seiner großen Verdienste für Kirche und Reich. Ich persönlich allerdings kann mit seiner Strenge nicht allzuviel anfangen: ich fürchte, daß bei ihm - wie bei vielen anderen Heiliggesprochenen - die Angst vor Gott den Vorrang hatte, wie auch seine letzten Worte zeigen - und Angst ist nun einmal ein Zeichen dafür, daß nicht genug Vertrauen in einen liebenden und stets verzeihenden Gott vorhanden ist. Aber das soll seine Verdienste nicht schmälern; und wir wissen ja: auch Heilige sind keine vollkommenen Menschen.

Wenn Sie einmal nach Regensburg kommen, besuchen Sie doch die Begräbnisstätte dieses interessanten Heiligen: er liegt im südlichen Seitenschiff von St. Emmeram begraben.

AMEN

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