Zurück zur
Homepage
Zurück zur Predigtsammlung
2:1 Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am
gleichen Ort. 2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie
wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze
Haus, in dem sie waren. 3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von
Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine
nieder.
4 Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und
begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen
eingab.
5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus
allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als sich das Getöse
erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt;
denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. 7 Sie gerieten
außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles
Galiläer, die hier reden? 8 Wieso kann sie jeder von uns in
seiner Muttersprache hören: 9 Parther, Meder und Elamiter,
Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und
der Provinz Asien, 10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten
und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich
hier aufhalten, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören
sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.
12
Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten
zueinander: Was hat das zu bedeuten? 13 Andere aber spotteten: Sie
sind vom süßen Wein betrunken.
Liebe Christen!
Sturmesbrausen, Feuerzungen, in fremder Sprache reden, Wunderheilungen - klingt das alles nicht etwas sehr märchenhaft? - Natürlich traut man sich das nicht wirklich zu denken, denn seit Kindertagen hat man uns eingeprägt: die Bibel ist Gottes Wort!, und deshalb sind kritische Gedanken dazu glaubenslos und sündhaft. Vielleicht konnte ja damals, vor zweitausend Jahren, so etwas noch wirklich passieren?.
Oder könnte es vielleicht sein, daß die damaligen Menschen Einbildungen und Gerüchte noch viel leichter als heute für bare Münze hielten? Es gibt ja genügend Beispiele aus Antike und Mittelalter, die das bestätigen!
Ich muß Sie da ein wenig enttäuschen. Wenn auch die meisten Menschen der Antike noch keine Ahnung von Naturwissenschaft hatten - es gab damals wie heute nüchterne, selbständig denkende, kritische Menschen.
In einem aber unterscheiden sich die Zeitgenossen der Apostel von uns: wenn sie etwas erklären, deutlich machen wollten, dann machten sie das anders als wir heute. Weil auch die anderen Menschen damals bildhaft dachten, liefen sie keine Gefahr, mißverstanden zu werden, wenn auch sie in Bildern sprachen. Bildhaftes Reden ist heute noch im Orient verbreitet - ein Europäer, der das nicht berücksichtigt, fordert Mißverständnisse geradezu heraus, wie ihnen jeder Korrespondent im Nahen Osten bestätigen kann.
Um den Text der Apostelgeschichte, den wir in der Lesung gehört haben, richtig einzuordnen, zäumen wir doch einmal das Pferd von hinten auf! Versuchen Sie einmal, folgende Erlebnisse sozusagen als Zeitungsbericht wiederzugeben:
Auf einer Fahrt durch das frühlingshafte Weißmaintal mußte ich einfach anhalten und schauen: eine Symphonie in Farben, vom zartesten Hellgrün junger Buchenblätter bis zum klaren Blaugrün von Wacholderbüschen; dazwischen in allen Weißschattierungen blühende Schlehensträucher und sattgelbe Schlüsselblumen. Ein überwältigender, ein begeisternder Eindruck, den ich tagelang immer wieder ins Gedächtnis zurückholte.
Könnten Sie sich vorstellen, wie solch ein Erlebnis als nüchterner Bericht aussehen würde? Selbst Bildvergleiche könnten das Eigentliche nur in Andeutungen wiedergeben; die Wirklichkeit kann man einfach nicht mit Worten ausdrücken.
Oder ein anderes Beispiel:
Ein Verliebter versucht, seine Angebetete zu beschreiben. In Berichtform wird nichts weiter herauskommen, als die Beschreibung der Augen- und Haarfarbe, eine Liste der Körpermaße und vielleicht noch charakteristische Gesten; also eine Art behördlicher Steckbrief.
Das Eigentliche, das die Liebestrunkenheit des Verliebten verursacht, kann aber mit Worten nicht beschrieben werden. Wenn der Gute allerdings dichterisch veranlagt ist, wird er zu Bildvergleichen Zuflucht nehmen müssen, stets bewußt, daß auch diese der Wirklichkeit auch nicht annähernd entsprechen können.
Nun ist sicher deutlich genug, warum das Pfingstereignis niemals ein Bericht sein kann. Was damals passiert ist, kann mit Worten gar nicht angemessen ausgedrückt werden - und selbst Bilder wie Sturm, Zunge, Feuer, Brausen, In-fremden-Sprachen-Reden sind nur ein schwacher Versuch, anderen das Geschehene nahezubringen.
Was ist damals eigentlich passiert? Nach einer öden, trostlosen Zeit der Lähmung und Angst - ausgelöst durch den brutalen Kreuzestod des Meisters - werden dessen Freunde nun plötzlich von Gott be-geistert, sie werden Feuer und Flamme", ein frischer Wind weht" auf einmal, sie können bisher Unverständliches verstehen", und nun brennt es ihnen auf der Zunge", so daß sie weitersagen müssen, was ihnen so im Herzen brennt".
Kein Wunder, daß einige von denen, die das von außen beobachten, von besoffen" reden - wer nicht selber begeistert ist, kann ja Begeisterte nur als verrückt", als betrunken" betrachten.
Das ist heute noch genauso. Begeisterte Menschen gibt es - gottseidank - immer wieder; nach Vorträgen, nach tiefen Gesprächen, in Bibelkreisen, bei Selbsthilfegruppen, bei Hilfsaktionen, selbst bei Pferdenarren oder Sportbegeisterten - überall habe ich das schon erlebt. Und solche Menschen können auch andere wie ein Sturm mitreißen": der Funke springt über", die Begeisterung breitet sich aus.
Damals wie heute stehen Null-Bock-Typen, coole Zeitgenossen", am Rande des Geschehens, machen blöde Kommentare und merken gar nicht, wie sie dabei den Geist aussperren" und sich damit Gott verschließen, der auch ihnen die Chance zu einem völlig neuen Leben geben könnte. Denn dieser Geist ist gekennzeichnet von Liebe - nur dann ist es auch der Geist Gottes - , die einen Menschen so begeistern und so gründlich verwandeln kann, daß man auch bei ihm von einem Pfingsterlebnis sprechen kann.
AMEN