Als sich Jesus mit seinen Jüngern Jerusalem näherte
und nach Bétfage am Ölberg kam, schickte er zwei von
ihnen voraus.
Er sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch
liegt: dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen
bei ihr. Bindet sie los und bringt sie mir. Wenn euch jemand zur Rede
stellt, dann sagt: der Herr braucht sie, er wird sie aber bald
zurückschicken. Das ist geschehen, damit sich das Wort des
Propheten erfüllte. Sagt der Tochter Zion: Sieh, dein König
kommt zu dir. Er ist friedfertig, er reitet auf einem Esel und auf
einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttieres. Die Jünger gingen und
taten. was Jesus ihnen aufgetragen hatte. Sie brachten die Eselin und
das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.
Viele Menschen breiteten auf dem Weg ihre Kleider aus, andere
schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf die Straße.
Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen:
Hosanna, dem Sohn Davids! Gepriesen sei der, der im Namen des Herrn
kommt. Hosanna,. Gott in der Höhe! Als er in Jerusalem einzog.
geriet die ganze Stadt in Bewegung. und man fragte: Wer ist das? Die
Leute sagten: Das ist der Prophet, Jesus von Nazaret in Galiläa.
Jesus Christus war wie Gott, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich, wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen: er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der jeden Namen übertrifft, damit vor dem Namen Jesu alle Mächte im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen und jede Zunge bekennt: HERR IST JESUS CHRISTUS zur Ehre Gottes, des Vaters.
Der Einzug Jesu in Jerusalem ist die Einleitung zum letzten Akt des Lebens Jesu, ein dramatischer Augenblick. Es ist Osterzeit, Jerusalem und die ganze Umgebung wimmelt von Pilgern. Eine Zählung der Opferlämmer durch den römischen Statthalter kam auf fast zweihundertfünfzigtausend Tiere - und da eine Bestimmung lautete, daß an jedem Pessachmahl mindestens zehn Personen sich ein Lamm teilen sollten, so müssen - wenn die Zählung korrekt war - zu Ostern mehr als zweieinhalb Millionen Pilger in und um Jerusalem gewesen sein!
Diese Tatsache muß man vor Augen haben, um zu ermessen, was Jesus in voller Absicht und Planung tat: er hatte in Betanien eine Eselin und deren Füllen bestellt und läßt sie nun durch zwei seiner Schüler holen. Er reitet in Jerusalem ein, genauso wie einige hundert Jahre vorher der Prophet Sacharjahu beschrieben hatte: Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. ... Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde."
Er demonstriert also - in vollem Bewußtsein, daß er in eine ihm feindlich gesonnene Stadt reitet - daß er Anspruch erhebt, der Messias, der Gesalbte Gottes zu sein.
Schon lange vorher (schon in Galiläa nach der Brotvermehrung) hatte Jesus Schwierigkeiten, der fanatischen Volksmenge klarzumachen, daß seine Vorstellung eines Messias nicht dieselben seien wie die der Masse. Er hatte ihnen damals schon vorgeworfen, daß sie ihn nur deshalb zum König haben wollten, weil er ihren Kragen stopfen und die Römer vertreiben könnte.
Auch diesmal machte es Jesus mehr als deutlich, daß er ein Friedensbote sei; ein Esel ist kein Tier, das man in einer Schlacht brauchen kann. Er illustrierte wieder einmal, daß er nicht kam, um zu zerstören, sondern um die Liebe Gottes weiterzugeben; daß er nicht kam, um zu verdammen, sondern um zu helfen.
So ist der Einzug Jesu in Jerusalem ein letzter Aufruf an die Menschen, sich seiner Vorstellung von einem Messias anzuvertrauen, sich dem Geist Gottes, dem Geist der Liebe zu öffnen.
Das Irre an der ganzen Geschichte ist das: aus Wut, daß Jesus nicht nach ihren umstürzlerischen Vorstellungen handelt, daß er nicht das tut, was sie von ihm verlangen, wollen sie beseitigen, mit allen Mitteln. Und so werfen sie ihm im Angesicht des römischen Statthalters vor, gerade das geplant zu haben, was Jesus stets abgelehnt hatte und wozu ihn die Leute zwingen wollten: einen gewaltsamen Aufstand gegen die Römer.
Wenn man das im Gedächtnis behält, dann zeigt die nun folgende Kurzfassung des Leidens Jesu erst so richtig die Wahnwitzigkeit und unbegreifliche Gemeinheit, zu der wir Menschen fähig sind.