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5. Ostersonntag 2000

Thema: Der rechte Weinstock
Lesg./Ev.: Joh 15,1-10
gehalten am 21.05.2000 um 10:30h in Eschenbach
von Eberhard Gottsmann, OStR

 

Evangelium

Joh 15:1 Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. 2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. 3 Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. 4 Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. 6 Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. 8 Mein Vater wird dadurch verherrlicht, daß ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet. 9 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.

Predigt

Liebe Christen!

Kennen Sie den berühmten - oder soll man sagen: berüchtigten - Kruckenberger Wein? Wenn Sie masochistisch veranlagt sind und sich außerdem für einen Weinkenner halten, dann sollten Sie ihn unbedingt einmal versuchen. Nicht weit von Regensburg - an einem donaunahen Südhang angebaut - wird er in geringen Mengen ausgeschänkt. Die alten Römer, die vor 2000 Jahren in Regensburg stationiert waren, konnten auch im rauhen Norden einfach nicht auf diesen Rebensaft verzichten, und versuchten an den Südhängen des Donautales Weinbau zu betreiben - na, und welchen Erfolg sie dabei hatten, können wir heute noch beurteilen. Wir Regensburger sagen jedenfalls: „Hast Du Kruckenberger Wein getrunken, dann stell Dir nachts alle zwei Stunden den Wecker. Denn wenn Du dich da nicht auf die andere Seite drehst, dann frißt er Dir den Magen durch."

Ein gutes Tröpfchen wissen wir Baiern allemal zu schätzen, wenngleich auch - statistisch gesehen - der Bierkonsum bei uns ungleich höher ist. Der edle Rebensaft verschönert die Feste und läßt auch mal die Sorgen des Alltags vergessen. Da allerdings in unserem Bundesland nur in ganz begrenzten Landstrichen der Weinbau möglich ist - bei uns in der rauhen Nördlichen Oberpfalz ganz gewiß nicht - haben wir meistens auch wenig Ahnung, wieviele Mühen es kostet und welche Kenntnisse es verlangt, einen guten Wein zu produzieren. Aber wir können uns sicher gut vorstellen, daß heute wie zur Zeit Jesu der Weinbau keine einfache Sache ist, selbst nicht in Palästina, wo das Klima dafür wie geschaffen ist.

Den Hörern Jesu war es ein vertrauter Anblick, überall sauber gepflegte Terrassen zu sehen, die in großen Abständen Weinstöcke trugen, genauso wie Winzer, die große Sorgfalt und Fachkenntnis benötigten, damit aus der Weinernte etwas werden konnte.

Alljährlich schnitten sie die Stöcke zurück, damit sie sich besser entwickelten und kräftig wurden; und erst nach drei Jahren wurde zum ersten Mal geerntet. Triebe, die keine Früchte tragen, wurden erbarmungslos zurückgeschnitten, damit sie der Pflanze keine Kraft entziehen konnten.

Das Holz, das dabei abfiel, war merkwürdigerweise zu nichts zu gebrauchen. Es war nicht einmal als Holz für Altarfeuer geeignet; und so verwandte man das nutzlose Zeug nur zu Freudenfeuern.

Das alles wußte natürlich auch Jesus ganz genau. Er, der genaue Beobachter, benutzte diese Tatsachen, um den Hörern Ratschläge und Ermahnungen in gleichnishafter Form zu erteilen.

An wen könnte Jesus gedacht haben, wenn er von Reben spricht, die keine Früchte bringen?

Sicher sind damit seine jüdischen Zeitgenossen gemeint, die zwar „Reben an Gottes Weinstock" waren, wie manche Propheten bildhaft sagten, die sich aber weigerten, auf Jesus zu hören.

Im weiteren Sinn spricht Jesus damit auch Christen an, deren Glaube ein bloßes Lippenbekenntnis ist, ohne praktische Folgen zu haben. Und wahrscheinlich will er auch die ansprechen, die zunächst einmal die christliche Botschaft angenommen haben, später aber von dieser Überzeugung abgegangen sind.

Es ist auch ohne Fachkenntnisse sofort einsichtig, was Jesus mit der Verbrennung der Reben meint: Nutzlosigkeit zieht Unheil nach sich - Reben, die keine Frucht tragen, werden vernichtet - Menschen, die nicht den Geist Gottes in sich wirken lassen, sind vom Leben und vom Glück Gottes abgeschnitten.

In diesen Bildworten ist auch die Rede davon, daß wir in Christus bleiben sollen. Sicher ist damit auch etwas Mystisches gemeint: Christen sind auf geheimnisvolle Weise mit Christus in Verbindung. Aber es ist auch einfacher zu verstehen, wie ich anhand eines Vergleichs klarmachen will.

Angenommen, ein schwacher Mensch ist in Versuchung geraten, sein Leben kommt in Unordnung; er ist auf dem besten Weg, seelisch zugrunde zu gehen.

Weiter angenommen, dieser Mensch habe einen reifen, gefestigten Freund, der ihn aus seiner Lage retten will. Für den Schwächeren gibt es nur eine Möglichkeit, nicht wieder rückfällig zu werden: er muß die Verbindung zu seinem Freund unbedingt aufrecht erhalten. Wenn der Kontakt einmal verloren ist, dann besteht die größte Gefahr, daß er seiner Schwäche erneut erliegt.

Das gilt für uns alle: wir müssen ständig mit dem Guten in Kontakt bleiben, damit das Böse in uns nicht Überhand bekommt.

So ist es auch, wenn wir in Christus bleiben. Sein Geheimnis bestand darin, daß er immer in Kontakt zu Gott blieb. Immer wieder zog er sich in die Einsamkeit zurück, um mit Gott allein zu sein. So sollte es auch zwischen uns und Jesus sein. Es sollte kein Tag vergehen, an dem wir nicht von seiner Gegenwart leben, auf sein Wort hören, mit ihm sprechen und vor allem: ihm nachzufolgen, d.h. nach seinem „Programm" handeln.

Auf eine einfache Formel gebracht, besteht sein „Rezept" in der Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe: denn wer selbst „voll Liebe" ist, ist „voll Gott", und wer diese Liebe an andere weitergibt, gibt Gott weiter - denn wirkliche, selbstlose Liebe ist ja Gott selbst - ob es der Liebende nun weiß oder nicht, ob er sich „gottgläubig" nennt oder „Atheist". Ob Sie nun Leben, Liebe, Gott oder Heiliger Geist sagen, bleibt sich gleich: jedenfalls ist das die Bindekraft, die uns mit allen Menschen, ja sogar mit der gesamten Schöpfung vereint, und zugleich der „Lebenssaft", der an der Fülle des Lebens teilhaben läßt.

Diese dauernde Verbindung ist also die Voraussetzung für ein Leben, das im Sinne Gottes ist; das uns und anderen zum Heil werden kann. Diese Verbindung weiter zu vertiefen, ist auch die Chance dieser heiligen Messe, die wir nun miteinander weiterfeiern wollen. AMEN

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