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4. Ostersonntag 2000

Thema: "Hirt" und "Hirt" ist zweierlei
Lesg./Ev.: Joh 10,11-18
gehalten am 14.05.2000 um 7:30h in Eschenbach
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium nach Johannes

10,11 Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. 12 Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, läßt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, 13 weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. 14 Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, 15 wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. 16 Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. 17 Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. 18 Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.

Predigt

Liebe Christen!

Falls Sie mal aus irgend einem Grund einen Polizeibeamten anschreien würden: "Ihr Idioten! Ihr gehört in die Nervenheilanstalt!", dann kostet sie das satte 3.000 DM. Relativ preiswert ist es, eine Politesse "Dumme Kuh!" zu nennen. Da wären Sie schon mit 1.200 DM dabei, und "Was willst Du, Du Vogel!" zu einem Polizisten gesagt, ist mit 1.000 DM ja fast geschenkt.

Was ist aber, wenn ich Sie alle mit dem anerkanntermaßen dummen Tier „Schaf" betiteln würde? Trotz der Tatsache, daß Beleidigungen Ordnungshütern gegenüber einfach teurer sind, würde es trotzdem eine Menge Ärger geben, bis hin zu Beleidigungsprozessen.

Eigentlich merkwürdig, daß man unserer Mutter Kirche jahrhundertelang verziehen hat, uns meist zwar nicht gerade Schafe zu nennen, aber uns doch in den Status solcher Tiere zu versetzen. Denn wenn sich Priester Hirten (lateinisch „pastor") oder Bischöfe Oberhirten nennen, dann sind doch logischerweise die „gläubigen Laien" Schafe. Das heutige Evangelium - so glaubte man - gibt den „Seelenhirten" die Berechtigung dazu, denn wenn sich Jesus als der gute Hirt bezeichnet, dann dürfen seine Stellvertreter auf Erden das doch sicher ebenso tun.

Hirten wissen, wo's lang geht, sie sind die Führer - Schafe haben sich führen zu lassen, ohne auszuscheren. Ist es das, was Jesus gemeint hat?

Gehen wir wieder einmal davon aus, daß Jesus „Sohn Gottes" ist, also ein Mensch, der ganz und gar im Sinne Gottes lebt, redet und handelt. An ihm können wir sehen und erleben, wie Gott ist: liebevoll, menschenfreundlich, um unser Heil besorgt; eben so, wie ein Herdenbesitzer sich um seine Tiere kümmert.

Schon im Ersten Testament, beispielsweise bei Ezechiel und Jeremia taucht dieser Vergleich auf, und wer kennt nicht den herrlichen Psalm 23? „Du, Herr, bist mein Hirt; darum kenne ich keine Not. Du bringst mich auf saftige Weiden, läßt mich ruhen am frischen Wasser und gibst mir neue Kraft. Auf sicheren Wegen leitest du mich ... und geht es auch durchs dunkle Tal - ich habe keine Angst! Du, Herr, bist bei mir; du schützt mich und führst mich, das macht mir Mut!"

Wie gesagt: Jesus zeigt uns, wie Gott ist - und darum ruft dieser Bildvergleich mit einem Hirten auch keine negativen Gefühle, sondern Gefühle der Geborgenheit, des Geliebtwerdens in uns hervor.

Wer die Kirchengeschichte kennt, weiß auch, daß es nicht nur „gute Hirten" gegeben hat (und gibt). „Bezahlte Knechte" nennt Jesus solche gefährlichen Typen, die zwar den Anspruch erheben, wie Christus Hirten zu sein, deren Motive aber völlig anders gelagert sind.

Woran aber kann man erkennen, zu welcher Sorte Hirt jemand gehört?

Schlüssel zu dieser Frage scheinen zwei Worte zu sein, die Jesus im heutigen Evangelium gebraucht: das Wort „gehören" und das Wort „hören".

Sprachlich hängen beide ja zusammen, wie man sofort erkennt: „ge-hören" hat also mit „hören" zu tun! Zwei Menschen, die aufeinander hören, die sich Gehör schenken und die Gehör finden, gehören auch zusammen. Während wir heutzutage „gehören" mit „besitzen" gleichsetzen, zeigt uns der sprachliche Zusammenhang etwas völlig anderes! „Besitzen" hat mit „Sitzen" zu tun - so, wie wenn ein Geizhals auf seinem Geldsack sitzt, damit kein anderer ihm etwas klauen kann.

Das ist der Grund, warum menschliche Beziehungen so oft scheitern: wir wollen einander besitzen, wir wollen über den anderen bestimmen, mit einem Wort: über ihn Macht ausüben.

Eine ganz andere Beziehung entsteht durch „einander gehören", „aufeinander eingehen". Jesus zeigt uns: Gott geht ganz auf uns Menschen ein, er kennt uns, er kennt sich mit uns aus - er kennt mich besser, als ich mich kenne. Wenn ich also auf ihn höre, wenn ich ihm folge, lerne ich mich selber besser kennen.

Während „besitzen" einen anderen Menschen auf eine tiefere Stufe herabwürdigt - genaugenommen auf das Niveau einer Sache -, besagt „gehören" ein Verhältnis der Partnerschaft, der freiwilligen, gegenseitigen Hingabe.

Das wird noch deutlicher durch einen anderen Vergleich: nicht nur Hirte - als Modell Gottes - ist Jesus, er ist auch selber „Lamm", das Lamm Gottes, das freiwillig und geduldig alles auf sich nimmt, sogar den Tod, um die unbegrenzte Stärke und Tragekraft der göttlichen Liebe zu offenbaren.

Liebe Christen,

wird ihnen klar, daß das idyllische Bild vom Hirten und seiner Herde einen gefährlichen Sprengstoff in sich birgt? Wenn nämlich nur der ein guter Hirte ist, dem die Schafe gehören und der den Schafen gehört, dann folgt daraus, daß alle,die es anders halten, nur bezahlte Knechte, schlechte Hirten sein müssen!

Machtstreben, Einengen der Freiheit des anderen, Forderung von unbedingtem Gehorsam, ohne auf die anderen zu hören, auf eine tiefere Stufe Herabwürdigen - das alles sind Kennzeichen des bezahlten Knechtes, nicht des guten Hirten!

Vielleicht hat sich manches jetzt ein wenig kompliziert angehört; aber im Grunde spürt jeder, der den Geist Gottes erfaßt hat, von sich aus, „wes Geistes Kind" jemand ist. „An den Früchten werdet ihr sie erkennen", sagt Jesus - oder anders ausgedrückt: nicht noch so schöne Worte zeigen die Gesinnung, die Motive, sondern die Taten, das Verhalten! Das gilt nicht nur für uns, die Schäflein, das gilt im selben Maße auch für die Hirten.

AMEN

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