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4. Fastensonntag 2000

Thema: 4
Lesg./Ev.: Joh 3,14-21
gehalten am 01.04.2000 18:300h Weidenberg
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muß der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat. Denn mit dem Gericht verhält es so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, haßt das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, daß seine Taten in Gott vollbracht sind. (Joh 3,14-21)

Predigt

Liebe Christen!

Den Älteren unter Ihnen ist sicher noch bekannt, daß der heutige Fastensonntag - nach dem ersten Wort des Eröffnungsverses - "Laetare" genannt wird. "Freue dich" heißt das, und "Freue dich" ist sozusagen die Überschrift der ganzen heiligen Messe.

Wenn Sie aber gerade gut aufgepaßt haben, dann dürfte Ihnen die Freude gründlich vergangen sein. Denn im Evangelium ist einige Male von einem Reizwort die Rede, das alles andere als Freude aufkommen läßt, eher Schauder und Angst. Ich meine das Wort "Gericht" oder "richten". Unwillkürlich kommen dabei Gedankenverbindungen wie Strafe, Fegfeuer, Hölle, Verdammnis in den Sinn. Kein Wunder: Religionsunterricht und Predigten früherer Zeiten - manchmal auch heute noch - haben es als besonders wirkungsvoll betrachtet, den Christen "Mores" beizubringen, indem man ihnen Angst vor dem Gericht am Lebensende oder am Weltenende eingeflößt hat. Und das soll eine "Frohe Botschaft" sein, eine Lehre, die voll Hoffnung und Freude die Wiederkunft des Herrn erwartet? Oder könnte es vielleicht sein, daß wir, Verkünder wie Gläubige, da etwas gründlich mißverstanden haben?

Das Problem liegt darin, daß wir Menschen alles nur mit unserer menschlichen Brille betrachten können. Für uns ist es "gerecht", "eine gerechte Strafe", eine "gerechte Vergeltung", wenn der Bösewicht das Böse, das er anderen angetan hat, auch selber erleiden muß. Sind wir doch ehrlich: was wir als gerecht bezeichnen, ist nichts anderes als Rache, wenn es auch eine gerechte Rache ist.

Auf Gott kann das nicht zutreffen; wir sollten das eigentlich wissen: "Gott ist die Liebe" heißt es im 1. Johannesbrief - und das bedeutet nichts anderes als: "Gott kann nur lieben; sein ganzes Wesen ist Liebe". Und wie zur Bestätigung sagt Jesus im heutigen Evangelium zum Ratsherrn Nikodemus: "Gott hat die Welt so geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern das ewige Leben hat." Gott kann also gar nicht - wie wir es tun - Böses mit Bösem vergelten. Er vergilt Böses mit Gnade und Erbarmen und erwartet auch von uns, daß wir erbarmend werden. Und wenn wir das aus Schwäche und Egoismus nicht fertigbringen, dann erwartet er wenigstens, daß wir ihm zugestehen, daß er keine Rache übt.

Was bedeutet dann aber "Vergeltung" Gottes? Zunächst heißt das, daß alles gilt, was ich getan oder nicht getan habe. Ich habe es vor ihm zu verantworten. Nichts wird ungeschehen gemacht, denn Liebe nimmt den anderen und das, was er tut, ernst. Wenn Gott uns liebt, dann muß er uns auch unsere Freiheit lassen - im Guten wie im Bösen.

Vergeltung heißt aber auch noch etwas anderes: Wer noch viel Liebe und Erbarmen braucht, bekommt es auch von ihm. Wer schon zu Lebzeiten mit Gott gelebt hat, braucht nicht mehr so viel Erbarmen, weil er schon in der Liebe Gottes ist. Ein Gedanke, an den wir uns erst gewöhnen müssen: je schlimmer, je verbrecherischer ein Mensch ist, desto mehr Liebe und Vergebung braucht er - und desto mehr Liebe und Vergebung wird er bekommen - wenn - WENN er sie annimmt. Denn weil Gott die Freiheit jedes Menschen ernst nimmt, kann Gott dem Menschen auch nichts schenken ohne dessen Einverständnis.

Das wird besonders deutlich, wenn wir überlegen, was eigentlich Gericht Gottes bedeutet, wenn wir im Auge behalten, daß Gott nicht anders als lieben kann. Gott richtet, heißt: Gott macht recht, er repariert, er bringt in Ordnung, ähnlich wie auch ein Automechaniker einen Motor richtet oder ein Zahnarzt einen hohlen Zahn. Gott ist der Baumeister, der das wieder aufbaut, was wir Menschen zerstört haben. Genau das meinen wir, wenn wir sagen: Gott will das Heil der Menschen. Er will heil machen, gesund machen, reparieren.

Es braucht aber keiner zu fürchten, daß die Verbrecher bei Gott "billig" davonkommen. Vorausgesetzt, der Sünder läßt die Reparatur zu - wie gesagt, Gott tut nichts gegen den freien Willen des Menschen - dann ist so ein Reparaturprozeß schmerzhaft und unangenehm, ähnlich wie ein hohler Zahn erst schmerzhaft ausgebohrt werden muß, damit er wieder in Ordnung kommen kann.

In früheren Zeiten hat man das Wort "Strafgericht" mit zwei "f" geschrieben: Straffgericht. Genau das bedeutet es, wenn Gott "straft": Er strafft all das, was durch den Menschen lax und lasch geworden ist. Und dieser Reparaturprozeß wird umso schmerzhafter und furchtbarer sein, je mehr ein Mensch gerichtet, repariert werden muß. Das gilt schon für diese Welt: wer hier schon "gerichtet", auf Gott ausgerichtet ist, der muß nicht mehr gerichtet werden.

Das Schlimmste am Gericht Gottes wird sein, daß sich jeder Mensch so sehen muß, wie er wirklich ist. Es gibt keinen Selbstbetrug, keine Lüge mehr. Alles wird offenbar: jedes versteckte Motiv, alle Folgen unseres Denkens und Tuns. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen Angst vor sich haben und vor sich selber davonlaufen, dann kann man erahnen, wie es sein wird, wenn der Mensch vor sich selbst und vor der Wirklichkeit, wie sie ist, nicht mehr davonlaufen kann. Dann werden wir auch erkennen, daß es nur EINES gibt, das vor Gott wirklich zählt: das, was wir aus Liebe getan haben.

Liebe Zuhörer!

"Wer an ihn [an Gott also] glaubt, [wer ihm und seiner Liebe vertraut,], wird nicht gerichtet" - "Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt [hin]richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird." - Dieser Gedanke ist so tröstlich und frohmachend, daß das Thema der heutigen Messe "Laetare" - "Freue dich" wunderbar dazu paßt. Gericht, Vergeltung, Strafe Gottes als Gute Nachricht - wer hätte das gedacht? AMEN

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