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3. Ostersonntag 2000

Thema: Die Schrift neu verstehen
Lesg./Ev.: Lk 24,35-48
für das Internet erstellt am 06.05.00
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium nach Lukas

35 (Als die Jünger von Emmaus zurückgekehrt waren, ) Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.36 Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! 37 Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen. 38 Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum laßt ihr in eurem Herzen solche Zweifel aufkommen? 39 Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Faßt mich doch an, und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. 40 Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. 41 Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben. Da sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? 42 Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; 43 er nahm es und aß es vor ihren Augen. 44 Dann sprach er zu ihnen: Das sind die Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Alles muß in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich gesagt ist. 45 Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift. 46 Er sagte zu ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen, 47 und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden. 48 Ihr seid Zeugen dafür.

Predigt

Liebe Christen!

Ort des Geschehens: Eschenbach, Stammtisch im Gasthaus Burger. Diskussionsthema: Sind die Auferstehungsgeschichten Märchen?

Da kommt plötzlich - keiner hat gesehen, woher - ein Mann an den Tisch, lange Haare, Bart, große Narben an der Handwurzel. Man kennt ihn sofort - er sieht genauso aus wie die vielen Jesusbilder, die in Kirchen, Bibeln oder in Schlafzimmern hängen. Er streckt den Zweiflern die Hände entgegen, fordert sie auf, ihn zu betasten - tatsächlich, er ist kein Geist. Dann nimmt er eine Curry-Wurst vom Teller des Nächstsitzenden, und ißt sie mit sichtlichem Vergnügen. Bevor die Stammtischbrüder den Mund zu kriegen, ist er wie auf einen Schlag wieder verschwunden.

Die Männer fangen sich langsam, der Mund schließt sich wieder - und jetzt geht die Diskussion erst so richtig los! Der Sepp ist der Meinung, daß der Hauptdarsteller der Oberammergauer Passion kurz vorbeigeschaut hat; der Hans hält das ganze für einen blöden Scherz der Laienspielgruppe, und der Karl schreibt das Erlebnis seinen fünf Bieren und zwei Schnäpsen zu. Dann aber gehen sie auf ein weiteres Thema über: die Spendenaffäre der CDU..

Liebe Christen, ich hoffe, die wirklichen Stammtischbrüder bei Burger nehmen mir diese fiktive Szene nicht übel; aber sie zeigt recht anschaulich, worauf es beim heutigen Evangelium ankommt bzw. nicht ankommt.

Lukas schildert in ähnlich handgreiflicher Weise eine Erscheinung des Auferstandenen: der zeigt seinen zweifelnden Freunden Hände und Füße, fordert sie auf, ihn anzufassen (der Tastsinn läßt sich nämlich noch am wenigsten täuschen), er ißt sogar einen gebratenen Fisch - so materiell ist sein auferstandener Körper.

Aber ist er das wirklich? Kann ein materieller Körper denn überraschend auftauchen oder verschwinden, selbst wenn alle Türen und Fenster verschlossen sind?

Spätestens jetzt muß einem klar werden, was Lukas eigentlich deutlich machen will. Denn sämtliche älteren neutestamentlichen Schriften, einschließlich die Paulusbriefe, vermeiden ängstlich, die Erscheinungen des Auferstandenen in Worte zu fassen - ganz einfach deshalb, weil man sie nicht in Worte fassen kann. Auferweckung Jesu besagt nämlich nach dem Neuen Testament: Jesus ist durch seinen Tod hindurch in das ewige, endgültige Leben bei Gott gegangen, er lebt also „im Himmel", wie wir sagen würden - und dieser Bereich, diese Dimension ist nun mal unserer menschlichen Erfahrung und unseren Sinnesorganen nicht mehr zugänglich.

Wenn man sich das vor Augen hält, wird auch deutlicher, was Lukas hier denn eigentlich sagen will. Vergessen wir nicht: Lukas hat sein Evangelium etwa im Jahre 80 nach Christi Geburt geschrieben - also fünfzig Jahre nach dem Tod und der Auferstehung Jesu! Von vielen wird inzwischen die „leibliche Existenz" des Auferstandenen - und damit die Auferstehung selber - bestritten. Bestimmt von gewissen Kreisen innerhalb der Christengemeinde, sicher auch von außergemeindlichen Gnostikern, die Jesus sowieso nur eine rein geistige Existenz zugestehen wollten. Diesen Leuten gegenüber will Lukas „handgreiflich", ja geradezu übertrieben materiell die Wirklichkeit der Auferstehung deutlich machen. „Der Herr ist wirklich auferstanden" - das ist seine Aussageabsicht.

Aber Lukas genügt der Glaube, der sich nur auf die Sinnesorgane stützt, in keiner Weise. Erinnern Sie sich an unsere Stammtischgeschichte von vorhin? Auch wenn alle Sinnesorgane bestätigen würden, daß Jesus auferstanden ist, wäre damit der Glaube noch lange nicht begründet. Es wäre - wenn überhaupt - nur ein äußerliches, ein oberflächliches Für-Wahr-Halten, mehr nicht.

Im zweiten Teil des Evangeliums macht Lukas auch deutlich, daß der Glaube tiefer sein muß. Es muß einem von innen her aufgehen, was es bedeutet, daß Gott Jesus auferweckt hat. Den Freunden Jesu ist dabei die Heilige Schrift, das Alte Testament, die entscheidende Hilfe. Denn durch sie wird ein AHA-Erlebnis ermöglicht - ein neuer Sinn leuchtet auf. Das gräßliche Geschehen am Karfreitag, das scheinbare Scheitern Jesu am Schandmal des Kreuzes - beides gehört ja zum Plan Gottes!

Vorübergehend hat zwar der Haß der Gegner, der gesetztestreuen Pharisäer, Schriftgelehrten und Hohenpriester gesiegt - die Lehre Jesu von der unverlierbaren, unendlichen Liebe Gottes hat sich „totgelaufen" wie ein begrabener Leichnam.

Aber dann trat eine Wende ein; weniger von außen (etwa vom leeren Grab), als von „innen" - aus einem neuen Verständnis der Pläne Gottes heraus. Die zunächst Verzweifelten begannen zu begreifen, daß die Hinrichtung ihres Meisters kein Zeichen dafür war, daß Gott sich von ihm zurückgezogen hatte, sondern ganz im Gegenteil: Der Tod war die letzte Konsequenz, die sich aus der Treue Jesu zu seinem Vater ergab. Sterbend noch gibt Jesus Zeugnis für einen Gott der Liebe, der nicht den Tod des Sünders, sondern seine Begnadigung und sein Leben will.

Und Gott hatte dieses Zeugnis bestätigt. Er hatte gegen das Urteil der "Amtskirche" JA zu seinem Sohn gesagt - Jesus war auf für uns unbegreifliche Weise ins Leben zurückgekehrt. Man konnte ihn in der Gemeinschaft (beim „Brotbrechen" - bei echten „Beziehungen") begegnen, und er wirkte weiter in denen, die ihm vertrauen und dieses Vertrauen durch die Taufe manifestieren.

Erinnern Sie sich noch an das Thomas-Evangelium des letzten Sonntags? „Selig, die nicht sehen und doch glauben" - oder anders ausgedrückt: „Selig, die nicht bei äußeren, sinnlich erfahrbaren Ereignissen steckenbleiben, sondern die von innen, aus einem tiefen inneren Verständnis heraus, an den Sieg des Lebens über den Tod glauben können. Der Grund: sie vertrauen der Überzeugung Jesu, daß Gott, der Ursprung allen Lebens, niemals seine Geschöpfe, die er ja unendlich liebt, preisgeben wird.

AMEN

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