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2. Jahressonntag 2000

Thema: Was sucht ihr?
Lesung / Evangelium: Joh 1,35-42
gehalten am 16.01.2000 10:30h ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium Joh 1,35-42

Joh 1,35 Am Tag darauf stand Johannes wieder dort, und zwei seiner Jünger standen bei ihm. 36 Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes! 37 Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus. 38 Jesus aber wandte sich um, und als er sah, daß sie ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du? 39 Er antwortete: Kommt und seht! Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde. 40 Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer der beiden, die das Wort des Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren. 41 Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden. Messias heißt übersetzt: der Gesalbte (Christus). 42 Er führte ihn zu Jesus. Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet: Fels (Petrus).

Predigt

Liebe Christen!

Der erste Satz Jesu, der im Johannesevangelium vorkommt, heißt „tì zetêite" - in der Einheitsübersetzung natürlich wieder mal falsch übersetzt, nämlich mit „was wollt ihr?". In Wirklichkeit sagte er etwas völlig anderes. Er fragte er die beiden Täuferschüler: „Was sucht ihr?"

Eine gute Frage! Was suchen wir denn eigentlich? Wenn Sie jetzt sagen: „Gar nichts suche ich. Ich bin zufrieden mit dem was ich habe und was ich bin - weiter brauche ich nichts!", dann dürfen Sie jetzt gerne die Augen schließen und den Rest der Predigt verschlafen.

Wenn Sie aber das Gefühl haben, daß die großen Rätsel des Lebens, die Fragen: „Wo komme ich her, warum lebe ich überhaupt und wozu, und wohin werde ich einmal gehen" ungelöst und drängend sind, dann antworte ich mit Jesus: „Komm, und sieh selbst!"

Auch die beiden Johannesschüler scheinen Suchende zu sein. Bei Johannes gab es keine Antworten, im Gegenteil: er wühlte nur auf, er machte nur neu die großen Menschheitsfragen bewußt. Der Täufer selbst zeigt ihnen den, der Antwort geben kann: „Seht, das Lamm Gottes".

Die geschilderte Szene kann ich mir recht gut vorstellen: schüchtern, in respektvollem Abstand gehen die beiden hinter Jesus her, der inzwischen ein paar hundert Meter weitergegangen ist. Jesus hört, wie ihm jemand folgt, und dreht sich um. Er macht den Anfang mit der Begegnung, so, wie auch Gott stets der erste ist, der uns anspricht. „Was ist es, wonach ihr auf der Suche seid?"

Die beiden sind über diese Frage überrascht. Man hätte erwarten können, daß Jesus so redet, wie es die Einheitsübersetzung auch tatsächlich bringt: „Was wollt ihr?" Aber er fragt, wie erwähnt, nach dem, was sie innerlich treibt, was ihre Erwartungen und Sehnsüchte sind.

Daher klingt auch die Antwort der beiden fast verlegen: „Rabbi, wo wohnst du? Wir meinen damit nicht nur, wo du körperlich zuhause bist, wir meinen auch deine geistige Beheimatung, deinen geistigen Standort.

Hältst Du's mit der Gruppe der Pharisäer und Schriftgelehrten, die spitzfindige Unterhaltungen über die kleinsten Einzelheiten des Gesetzes führen?

Oder bist Du ein ehrgeiziger Kompromißling wie die Sadduzäer, die alles tun, um mit den Machthabern, den Römern gut auszukommen und dadurch auch ein gutes Auskommen zu haben?

Bist Du vielleicht einer der radikalen Nationalisten wie die Zeloten, die einen politischen und militärischen Anführer suchen, der endlich die Besatzer zum Teufel schickt?

Könnte es sein, daß Du zu den „Stillen im Lande" gehörst, die hoffend und betend ein Eingreifen Gottes erwarten, einen Gesalbten, der mit göttlicher Macht der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit zum Durchbruch verhilft?"

Jesus gibt ihnen keine vorschnelle Antwort. „Kommt und seht!" sagt er nur. „Wenn ich Euch jetzt in einigen Sätzen erklären würde, worum es mir geht und wozu ich mich beauftragt fühle, dann wären Mißverständnisse vorprogrammiert. Nein, das beste ist, wenn Ihr Euch einfach überraschen laßt. Vertraut Euch mir in Offenheit an, folgt mir - räumlich und geistig - nur so könnt Ihr alle Vor-Einstellungen, Vor-Urteile und Erwartungen beiseite lassen. Jeder Mensch neigt ja dazu, das Erlebte zu filtern, in seine Schubläden zu sortieren. Für Gott - und damit für mich - gibt es keine Schubläden. Gott, und das, was ich Euch von ihm eröffnen will, paßt in keine Schablonen. Kommt einfach mit, öffnet Euch, laßt Euch vertrauensvoll auf mich ein! Dann wird sich für Euch eine neue, eine beglückende und befreiende Welt auftun, und Eure Suche ist an ihr Ende gelangt."

Liebe Christen!

Fällt Ihnen auf, daß Jesus den beiden die Freiheit läßt? Er macht ihnen ein Angebot, und obwohl er weiß, daß die Antworten, die er geben kann, für ihr Leben von entscheidender Wichtigkeit sind, überredet er sie nicht, zwingt er sie zu nichts - genauso, wie es Gott mit uns hält.

Sollte das nicht auch ein Maßstab für die kirchlichen Amtsträger sein? Könnte das nicht auch für unseren Alltag gelten, für uns, die wir dazu neigen, andere „zu ihrem Glück zwingen" zu wollen?

„Komm und sieh! - bilde Dir selbst ein Urteil, und vor allem: entscheide und handle dann in eigener Verantwortung!"

AMEN

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