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2. Fastensonntag 2000

Thema: Lichte Momente
Lesg./Ev.: Mk 9,2-10
gehalten am 18.03.00 18:30h u. 19.03.00 09:30h in Pressath
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium Mk 9,2-10

9,2 Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; 3 seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann. 4 Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose, und sie redeten mit Jesus. 5 Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. 6 Er wußte nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen. 7 Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.

8 Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus. 9 Während sie den Berg hinabstiegen, verbot er ihnen, irgend jemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. 10 Dieses Wort beschäftigte sie, und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.

Predigt

Liebe Christen!

Bei kranken Menschen, deren Verstand getrübt ist und die die Wirklichkeit nicht mehr recht erkennen, erlebt man manchmal „lichte Momente", in denen sie ihre Situation klar erkennen und normal denken können.

Von solch einem „lichten Augenblick" ist auch im heutigen Evangelium die Rede. Jesus zeigt hier drei ausgewählten Aposteln, nämlich Petrus, Jakobus und Johannes, seine verborgene Herrlichkeit. Aber wie immer in der Bibel, würde man bei der Oberfläche stehen bleiben, wenn man die Erzählung einfach als bloßen historischen Bericht versteht. Die Bedeutung erst ist der Grund, warum Markus diese Begebenheit in sein Evangelium aufnimmt.

Wichtig ist - wie immer - der große Zusammenhang. Kurz vorher hatte Petrus im Brustton der Überzeugung Jesus den Messias, den erwarteten Retter genannt. Messias - in der Vorstellung der meisten und sicher auch des Petrus ein strahlender Held, der mit der Hilfe Gottes die Römer vertreiben wird und eine Gottesherrschaft errichtet. Sofort bremst ihn Jesus in seiner Begeisterung. ER ist kein solcher Messias, wie ihn sich die meisten vorstellen. Er muß seinen Auftrag erfüllen, indem er „vieles erleiden" , von der Jerusalemer Kurie „verworfen" (also exkommuniziert) und zuletzt umgebracht wird. Petrus protestiert heftig dagegen, „er machte ihm Vorwürfe", wie es heißt. Daraufhin fährt ihn Jesus auf eine äußerst heftige Weise an:
„Weg mit dir, du Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen".

Mit einem Wort: Petrus kann und will nicht verstehen, daß die Aufgabe Jesu überhaupt nicht mit den Vorstellungen übereinstimmt, die man üblicherweise von einem Messias hat. Und wie ihm ergeht es wohl sicher den anderen Jüngern: auch sie sind alle wie vernagelt in ihrer Voreinstellung, in ihren Vorurteilen.

Wenn Jesus leiden und sterben muß, dann kann er nicht der Messias sein. Der erwartete Messias muß nämlich meinen Vorstellungen entsprechen, und die sind nun mal die eines siegreichen Kämpfers.

Vielleicht wird jetzt schon deutlich, welche Bedeutung die Verklärungsgeschichte hat. In einem kurzen „lichten Augenblick" erkennen ein paar der Freunde Jesu, daß der ja ganz auf der Linie des Mose liegt, durch den Gott einen Bund mit Israel schloß, und daß er ganz wie Elija, dem Propheten und Streiter für den Gottesglauben, den Auftrag Gottes erfüllt. Das Wort „hoher Berg", den Markus hier erwähnt, erinnert jeden Juden an denBerg Sinai, der geradezu das Symbol für die Gegenwart Gottes war. Das uralte Gottessymbol „Wolke" bestätigt noch diese Deutung. Und das Wichtigste: Gott erklärt Jesus als „seinen geliebten Sohn", auf den seine Jünger hören sollen. In unserer Sprache bedeutet das: Jesus handelt ganz und gar in meinem Sinn, er entspricht ganz und gar meinen Erwartungen". Erinnern Sie sich? Auch bei der Taufe erhält Jesus diese Bestätigung; und auch da bedeutet „Sohn Gottes" „im Sinne Gottes handeln", so wie „Sohn des Friedens" oder „Sohn der Gerechtigkeit" in orientalischer Sprechweise die totale Übereinstimmung umschreibt.

Die spätere Entwicklung zeigt, daß dieser „lichte Moment" wirklich nur ein Augenblick war. Denn weder Petrus noch die anderen Anhänger Jesu ziehen daraus die letzten Konsequenzen. Sie werden wieder an ihm zweifeln, sie werden nicht kapieren, daß Leiden und Tod zum Plan Gottes mit Jesus gehören. Der Evangelist drückt das mit den Worten aus: sie stiegen den Berg hinab. Anders ausgedrückt: der Alltag holt die Freunde Jesu wieder ein.

Wir haben keinen Grund, über die Dummheit der Apostel zu lächeln. Jeder von uns ist fixiert auf bestimmte Vorstellungen, aber jeder von uns hat auch hin und wieder solche „lichten Augenblicke".

Wie oft bin ich schon in Situationen gekommen, wo ich scheinbar am Ende war, und dann stellte sich im Nachhinein heraus, wie gut es war, daß es so und nicht anders gekommen ist. In einem kurzen „lichten Moment" erkenne ich, daß es keine Zufälle gibt, daß alles Fügung eines liebenden Gottes ist, der aufs Ganze gesehen das Beste für mich will. Aber glauben Sie, daß ich dadurch Konsequenzen ziehen würde? Kaum kommt eine ähnliche Situation über mich, verzage ich genauso, wie wenn ich noch niemals solche Gotteserfahrungen gemacht hätte. Ich muß erst wieder neu lernen, daß auch in dieser Lage Gott bei mir ist - und so wird es vermutlich mein Leben lang bleiben.

Wenn wir wissen, daß es den Freunden Jesu, die dauernd mit ihm beisammen waren, genauso erging, dann können wir uns ein wenig trösten. Jedenfalls sollten wir auch „im Tal", im Alltag, die bereits erlebten „lichten Augenblicke" im Gedächtnis behalten, damit wir mit Vertrauen und Zuversicht auch die dunkle Zeiten bestehen können.

AMEN

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