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1. Fastensonntag

Thema: Satanische Möglichkeiten
Lesg./Ev.: Mk 1,12-15
gehalten am 12.03.2000 09:00h ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium Mk 1,12-15

Mk 1, 12 Der Geist trieb Jesus in die Wüste. 13 Dort blieb Jesus vierzig Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.
14 Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete die Frohe Botschaft Gottes 15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

Predigt

Liebe Christen!

Kleinigkeiten übersieht man gern; dabei liegt nicht nur "der Teufel" im Detail, sondern oft auch der Schlüssel zum Verständnis eines Textes.

Genauso geht es uns mit der heutigen Evangelienstelle. Gerade, weil Markus die Versuchungsgeschichte viel knapper als Mattäus und Lukas darstellt, liest man über die wenigen Worte allzuleicht hinweg.

Schauen wir uns zunächst die Aussageabsicht des Mattäus und Lukas näher an. Was möchten sie mit der „Versuchung Jesu" deutlich machen?

Nachdem Jesus vom Geist Gottes die Aufgabe übertragen bekam, das Reich Gottes zu verkündigen, stellt sich ihm nun die Frage, WIE er seine Aufgabe verwirklichen soll.

Die erste Möglichkeit, die viele Staatsmänner und Herrscher der Weltgeschichte gewählt haben, ist die: "Du kannst den Leuten einen vollen Bauch und eine gesicherte Existenz verschaffen. Dann laufen sie dir nach und du gewinnst sie für dich". - Das Bild dafür: Steine in Brot verwandeln.

Auch die zweite Methode wurde immer schon angewandt: "Mit Sensationen und großartigem Auftreten kannst du Macht über die Herzen gewinnen. Nütze diesen Einfluß aus, um dir Reichtum und Ansehen zu verschaffen!" - Das Bild dafür: unversehrt von der hohen Tempelzinne herabspringen.

Und die dritte Art und Weise, die Menschen in Griff zu bekommen, wurde und wird zum Leidwesen der Menschheit besonders gern praktiziert: "Die Welt wird nicht durch Liebe und Opfer erlöst, sondern nur durch eine starke, brutale Hand. Strebe nach Macht, drück den Daumen drauf, und du setzt alle deine Pläne durch!" - Das Bild dafür: Niederfallen und den / das Böse anbeten.

Wir wissen, daß Jesus alle diese Methoden abgelehnt hat. Liebe verträgt sich nicht mit Blendwerk, Zwang und Gewalt. Wie der Vater im Himmel, wählt auch Jesus die Methode des freien, werbenden, liebevollen Angebotes. Auch wenn diese Methode unbequem ist und nur in wenigen Fällen Erfolg hat, so sind doch die Menschen, die damit gewonnen werden, aus innerer Überzeugung und echter Begeisterung dabei.

Von all dem steht bei Markus nichts. Nur von einer Versuchung durch Satan ist hier die Rede. Natürlich denken wir dabei automatisch an eine Art Teufel, so einem mit Hörnern, Bocksfuß und Schwanz. Aber solch eine Karikatur wird der biblischen Aussage nicht gerecht. Satán, zu deutsch „Widersacher", erscheint in der Bibel vor allem als Prüfer, der den Menschen zur Bewährung herausfordert. Häufig erleben wir diesen „Widersacher" als Teil von uns selbst - dann nämlich, wenn wir versucht sind, „vernünftig zu berechnen", statt „liebevoll zu vertrauen"; oder wenn wir dazu neigen, anderen Böses zu vergelten anstatt unseren Gegnern zu verzeihen; oder ganz allgemein in unserer Neigung zum Egoismus.

Ein weiteres Detail, das Markus erwähnt: "Er lebte bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm."

Im ersten Moment denkt man bei den wilden Tieren an die Gefahren der Wüste, denen Jesus in dieser unwirtlichen Gegend ausgesetzt ist. Aber von einer Bedrohung Jesu durch Raubtiere ist in unserem Text gar nicht die Rede. Es heißt lediglich, daß er mit ihnen zusammenlebt. Außerdem paßt der Zusatz, daß Engel ihm dienten, ganz und gar nicht zu irgend einer Gefährdung.

Der Schlüssel zu dieser Stelle ist ein Text aus neutestamentlicher Zeit, der nicht in das Neue Testament Eingang gefunden hat, aber den damaligen Juden wohlbekannt war: "Der Teufel wird vor euch fliehen, und die Tiere werden Respekt vor euch haben. Der Herr wird euch lieben, und die Engel werden sich um euch kümmern" (Testament Náphtalis 8,4). In dieser Schrift geht es um die Kennzeichen der Heilszeit, die von allen Juden herbeigesehnt wurde. Auch Jesaja redet vom friedvollen Zusammenleben von Mensch und Tier, wenn die Zeit des Heiles da sein wird.

Mit anderen Worten: Markus macht seinen Lesern klar, daß die lange erwartete Heilszeit mit Jesus angebrochen ist.

Und noch ein weiterer Aspekt kommt ins Spiel: an verschiedenen Stellen vergleicht Markus Jesus Christus mit Adam, der durch seinen Ungehorsam das Paradies und die Freundschaft mit Gott verloren hat. Jesus dagegen führt durch seinen Gehorsam und seine Freundschaft mit Gott wieder paradiesische Zustände herbei: "Tiere werden Respekt vor euch haben, und die Engel werden sich um euch kümmern."

In unser heutiges Denken übertragen, kann das folgendes bedeuten:

Bekanntlich ist der Mensch ein Wesen, das animalische Triebhaftigkeit und hohe Geistigkeit in sich vereinigt. Die Aufgabe, die der Schöpfer jedem von uns gestellt hat, ist es nicht, beide Seiten in einen selbstzerstörerischen Widerstreit miteinander geraten zu lassen, sondern sie harmonisch miteinander zu verbinden. Jesus, als Stammvater einer neuen Menschheit, ist uns auch hier ein Vorbild. Er hat nicht nur Gott und seine Mitmenschen geliebt, sondern er hat sich auch selbst angenommen mit der ganzen Vielfalt seiner Anlagen und Möglichkeiten. Er hat nichts verdrängt, unterdrückt oder "verteufelt", sondern auch die dunklen Seiten der menschlichen Natur akzeptiert und ins Positive umgewandelt. Deshalb konnte er sich in alle Menschen einfühlen, denen er begegnete; deshalb hatte er Verständnis für alle, die mit ihren Schwächen und Fehlern zu ringen hatten; deshalb kann er als Heiland, als Verkünder der Frohen Botschaft die Menschen heilen.

AMEN

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