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15. Jahressonntag 2000

Thema: Den Auftrag Jesu verstehen
Lesg./Ev.: Mk 6,7-13
gehalten am 16.07.2000 09:00h ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium Mk 6,7-13

7 Jesus rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, 8 und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, 9 kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. 10 Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlaßt. 11 Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter, und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie. 12 Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. 13 Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

Predigt

Liebe Christen!

Hätte Jesus seinen zwölf Wanderpredigern ermöglicht, einen Blick in unsere Zeit zu werfen, wären sie aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Denn aus den zwölf Sendboten, die außer Sandalen und Wanderstäben nichts bei sich hatten, ist eine riesige, reiche, weltumfassende Institution geworden. Schon allein die Römische Kurie, die oberste Behörde der Kirche, umfaßt eine Vielzahl von Kongregationen, Kommissionen, Gerichtshöfen, Instituten und Ämtern, und die Bischöflichen Ordinariate, sozusagen Kurien im Kleinen, stehen in Sachen Verwaltung und Organisation der „großen Schwester" nicht viel nach.

Hat Jesus das gewollt? Ich meine, die Frage ist falsch gestellt. Sie müßte lauten: „Was hat Jesus damals gewollt, mit welcher Absicht hat er seine Freunde ausgesandt?". Die Antwort auf die Frage, ob diese Absicht Jesu auch in der geschichtlich gewordenen Institution spürbar und erkennbar wird, hängt davon wesentlich ab.

Womit also beauftragt Jesus seine Freunde? Im Grunde sollen sie nichts anderes tun, als die Menschen gesund, heil zu machen, und zwar nur die, die es wirklich selber wollen. Keine Rede von Zwangsmaßnahmen, keine Rede von Drohungen, erst recht nicht von physischer Gewalt. „Wenn jemand nicht gesund werden will, dann laßt ihn. Geht einfach weiter, ohne Groll, auch ohne Selbstvorwürfe, es vielleicht nicht werbewirksam genug angestellt zu haben.

Wichtig ist nur, daß ihr den Leuten ein neues Denken anbietet. Denn wer bisher durch seine düstere, angstmachende Gottesvorstellung krank geworden ist, kann nur gesund werden, wenn er sich freiwillig der Botschaft von der absoluten, bedingungslosen und stets verzeihenden Liebe Gottes öffnet. Und dazu könnt ihr durch euer Beispiel behilflich sein. Denn ihr zeigt euer Vertrauen in diesen liebenden Gott, indem ihr auf alle Vorkehrungen und Absicherungen verzichtet, indem ihr nicht einmal eine Geldbörse oder eine Vorratstasche mitnehmt - wer weiß, vielleicht läßt sich der eine oder andere von diesem Vertrauen anstecken. Im Grunde braucht ihr gar nichts zu „machen" - allein euer Dasein, euer Beispiel kann auf die anderen ausstrahlen - und angeregt durch euer Vertrauen können die Menschen selbst vertrauend und so mit Gott froh und gesund werden. Sie werden von den dämonischen Mächten der Angst befreit und können so wieder aufatmen und aufleben."

Im Grunde ist das alles - mehr brauchten die Apostel nicht zu tun, und mehr brauchen auch wir heutigen Christen nicht zu machen. Wer selbst durchdrungen vom Vertrauen in einen unendlich liebenden Gott ist, wirkt auch auf andere heilend, ganz von selbst sozusagen. Eine besondere Ausbildung braucht es dazu nicht - die kann manchmal sogar hinderlich sein.

Und wie steht es heutzutage mit Dämonenaustreibungen?

Es gibt auch heute sehr viele Menschen, die nicht ganz Herr ihrer selbst sind. Sie sind von Ideen und Ideologien „besessen", von Streben nach Macht, Rache, Reichtum, Genuß und Erfolg. Viele sind auch süchtig nach bestimmten Rauschmitteln. Und nicht wenige leiden an einem gestörten Selbstwertgefühl. Wieder andere kommen sich innerlich irgendwie „schmutzig", schuldbeladen vor. All das treibt die Menschen in Selbstablehnung, Einsamkeit und Unfreiheit - ein Leben, das man kaum noch „Leben" nennen kann. Der innere „Dämon" flüstert ihnen zu: „Du bist nichts wert, du hast nichts, du kannst nichts, du mußt dich vor Gott und den Menschen schämen. Du hast allen Grund, dich vor deinem Gott zu fürchten!"

Jesus fordert uns genau wie damals auf, solche „Dämonen" auszutreiben. „Sagt den Leuten, die zwanghaft, süchtig, krank sind: Du bist doch wichtig, unendlich wichtig, denn Gott schaut dich mit dem Blick der Liebe an. Er liebt dich, wie wenn du der einzige Mensch auf der Welt wärst! In seinen Augen bist du doch sein Ebenbild. Er akzeptiert dich, wie du bist, mit allen Schattenseiten und Fehlern, und zwar unverlierbar und bedingungslos! Du mußt dich nicht mehr selbst hassen, du brauchst dich nicht selbst zu quälen: nimm einfach seine Liebe an und liebe zurück! Dann verflüchtigt sich der ganze Dämonenspuk, die ganze Angst und die ganzen Schuldgefühle wie ein Gespenst in der Sonne!"

Liebe Christen!

Wir müssen uns - und vor allem den offiziellen Vertretern der Institution Kirche - die kritische Frage stellen, ob dieser Auftrag Jesu auch tatsächlich erfüllt wird. Sind wir wirklich durchdrungen von der Überzeugung, daß Gott uns immer und unverlierbar liebt? Ist deshalb unser Gottvertrauen so stark, daß es auch größten Belastungen standhält? Fühlen wir uns daher wirklich innerlich heil und erlöst, so daß es auch auf andere ausstrahlen kann? Und vor allem: verzichten wir auf jede Art von Zwang oder Manipulation, ganz so, wie es der Haltung Jesu entspricht? Vertrauen wir darauf, daß Gott da weitere Möglichkeiten kennt, wo wir an taube Ohren und verhärtete Herzen gestoßen sind?

Von der Antwort auf diese Fragen hängt alles ab. Daran entscheidet sich, ob ich oder kirchliche Institutionen tatsächlich dem Geist und Auftrag Jesu entsprechen oder ob wir ihn und seine Sendung mißverstanden haben.

AMEN

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