Zur Homepage

Zurück zur Predigtsammlung

Fronleichnam 2000

Thema: Essen als Kontingenzerfahrung
gehalten am 22.06.2000 09:00h in Kastl (b. Kemnath)
von Eberhard Gottsmann, OStR

 

Predigt

Liebe Christen!

Ein Kollege, den ich einmal bedauert habe, weil er wegen seines durchgehenden Unterrichts nicht einmal zum Essen Zeit habe, hat mit einem Augenzwinkern geantwortet: „Man muß eben von solchen Dingen unabhängig werden!"

Von Essen und Trinken unabhängig sein - das würde ganz neue Perspektiven eröffnen: ohne Gefahr des Verdurstens könnte man die Wüsten durchqueren, ohne Oasen und bewohnte Gebiete aufsuchen zu müssen; Hausfrauen könnten sich ganz auf Putzen, Waschen und Bügeln konzentrieren, ohne Kochen und Abspülen zu müssen (ebenfalls mit Augenzwinkern zu lesen!!); man hätte auch keine Ausrede mehr, ins Wirtshaus gehen zu „müssen", um den argen Durst zu stillen ...

Aber vielleicht ist diese Unabhängigkeit gar nicht so wünschenswert! Viele Berufe, vom Landwirt bis zum Metzger und Bäcker, ganz zu schweigen vom Getränkefabrikanten und Brauer, wären dann überflüssig - und nebenbei: was gibt es Schöneres, als sich mit kräftigem Appetit einen guten Schweinsbraten mit Knödeln zu Gemüte zu führen und dazu ein gepflegtes Pils zu trinken!

Essen ist schon etwas Angenehmes, besonders, wenn man in einer netten Gemeinschaft speisen kann. Aber eines ist deutlich geworden: so angenehm Essen und Trinken auch sind - wir sind auch völlig darauf angewiesen, unser Leben hängt davon ab.

Das merkt man allerdings erst, wenn es mal nichts zu Beißen und zu Schlucken gibt, oder wenn man liest, daß Hunderttausende vor Hunger sterben.

Die Tatsache, daß wir Essen und Trinken müssen, um am Leben zu bleiben, ist ein dauernder Hinweis darauf, daß wir Menschen nicht aus uns selbst existieren und daß wir immer von etwas leben, das wir nicht selbst sind.

Ein gläubiger Mensch könnte sogar auf den Gedanken kommen: Gott zeigt uns in der Tatsache, daß wir auf Essen, Trinken, Luft, sogar auf Zuneigung und Liebe angewiesen sind, daß wir nicht die absoluten Herren, die höchsten Gottheiten der Welt sind (wie wir es oft durch unser Verhalten vorgeben!).

Schon das Leben selber, noch deutlicher aber die Erhaltung unseres Lebens ist ein dauerndes Geschenk, für das man nur danken kann.

Das gilt nicht nur für unser biologisches Leben, das ja irgendwann natürlicherweise endet. Es gilt noch vielmehr für ein „inneres Leben", für die Existenz unserer geistig-seelischen Person, die nach unserer Überzeugung auch nach dem Körpertod weiterbesteht.

Genau dieses Leben meint Jesus, wenn er von sich sagt: „Ich bin das Brot des Lebens - wer an mich glaubt, wird leben" (Joh 6).

Wenn wir also erkennen, daß wir im Grunde mit jeder Faser unserer Existenz abhängig (philosophisch gesagt: kontingent) sind, dann können wir auch verstehen, warum heute, am Fronleichnamsfest, ein „Stück Brot" durch die Straßen getragen wird.

Fronleichnam ist für uns Katholiken das Fest der wirklichen, realen Gegenwart Christi in den Symbolen von Brot und Wein, durch die Jesus im heiligen Mahl eins wird mit den Menschen. Er, der Vermittler der tiefsten Lebens-Ursache („Quell des Lebens"), des liebenden Vatergottes, ist aber nicht nur „Augenblicke lang" - nämlich während des Mahles selbst, mit uns verbunden - er ist es immer. Nur: uns Menschen ist diese Verbindung, dieses stete Geschenk des Lebens, nicht immer bewußt, und daher spüren, erfahren wir sie auch nicht.

Daher brauchen wir Symbole, die nicht nur etwas in Erinnerung rufen sollen, wie gemeinhin angenommen wird, sondern die auch von unserer menschlichen Seite her diese Verbindung „wirksam machen" können. An einen lieben Mensch, der ferne von uns lebt, denken wir auch nicht ständig; wenn wir aber ein Andenken oder eine Fotografie zur Hand nehmen, fühlen wir uns sofort wieder mit ihm verbunden; wir frischen sozusagen die Verbindung wieder auf.

Was aber einmal Symbol geworden ist, das bleibt es: eine Rose, die ich in Liebe verschenkt habe, bleibt Symbol meiner Liebe, auch wenn ich nicht mehr anwesend bin! So wird auch das Abendmahl Jesu im Symbol dauerhaft, so daß ich mich jedesmal, wenn ich Eucharistie feiere, mit dieser Mahlgemeinschaft verbinden kann. Im Grunde geschieht das bei jedem Mahl: in der Verbundenheit und im gemeinsamen Essen und Trinken mit lieben Menschen erfahre ich die Nähe Gottes und Verbundenheit untereinander.

Das ist auch der Grund, warum wir Katholiken das „konsekrierte Brot" im Tabernakel aufbewahren, warum wir es bei der Prozession in der Monstranz durch die Straßen tragen - dieses heilige Zeichen, dieses Heils-Symbol ermöglicht uns immer wieder neu, uns der Gemeinschaft mit Christus und allen Mitmenschen bewußt zu werden. Das allerdings ist kein automatischer, gleichsam magischer Vorgang, sondern muß in der richtigen Absicht geschehen: ich muß also bewußt mit Christus verbunden sein wollen.

Wer gelernt hat, unter die Oberfläche zu schauen, für den ist die Weise, wie man „Symbol" versteht, eher zweitrangig. Für ihn ist entscheidend, daß eine reale Verbindung mit Christus zustandekommt, die so lebensnotwendig für uns ist, wie das tägliche Brot. Auf dem Boden dieser Überzeugung könnte auch wieder jene innere Einheit wachsen, die Jesus so am Herzen lag. Wenn wir alle mit ihm verbunden sind, dann müssen wir logischerweise auch untereinander verbunden sein - gleich welche menschlich begrenzten Vorstellungen sich damit verbinden mögen.

Fronleichnam kann also deutlich machen, daß wir alle im gleichen Boot sitzen: jeder von uns ist von der Nahrung abhängig; jeder von uns ist davon abhängig, mit göttlichem Leben beschenkt zu werden. „Ist der Kelch des Segens... nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot." (1Kor 10,16.17)

AMEN

Zurück zur Predigtsammlung

Zur Homepage