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Epiphanie 2000

Thema: Das Vorbild der Weisen
Lesg. / Ev.: Mt 2,1-12
von Eberhard Gottsmann, OStR

 

Evangelium Mt 2,1-12

Mt 2,1 Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem 2 und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.
3 Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. 4 Er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. 5 Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten: 6 Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel. 7 Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. 8 Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige. 9 Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.
10 Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. 11 Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. 12 Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.

Predigt

Liebe Christen!

In mittelalterlichen Buchmalereien werden die Weisen aus dem Osten häufig als Verkörperung der drei Lebensphasen: Jugend, Erwachsenenalter, Greisenalter dargestellt. Noch geläufiger ist uns die Darstellung von drei Königen mit unterschiedlicher Hautfarbe: ein Schwarzer als Vertreter Afrikas, ein Gelber für Asien und ein Weißer als Repräsentant Europas. Australien und Amerika waren ja im Mittelalter noch nicht entdeckt. Da im Neuen Testament weder von einer Dreizahl, noch von Königen die Rede ist - erst recht nicht vom Alter der Weisen, ist deutlich, daß all diese Darstellungen nicht eine Art "fotografischer Aufnahme" im Sinn haben, sondern daß sie uns die Bedeutung, den Sinn der Geschichte vor Augen führen wollen.

Es geht also nicht so sehr um historische Personen (obwohl ein historischer Kern sicher vorhanden ist), sondern um Menschen aller Nationen (die drei Erdteile) und jeden Alters (die drei Lebensstadien) - mit einem Wort: es geht um uns.

Der Schlüsselsatz dieser Schriftstelle ist für mich folgender:

„Als sie den Stern sahen, wurden sie von großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus, und als sie das Kind und Maria, seine Mutter, erblickten, fielen sie nieder und huldigten ihm."

Wie kommen auch wir zu dieser Freude und Verehrung?

Die Weisen zeigen es uns: Auf eine vage Information hin - eine astrologische Berechnung - machen sie sich auf den Weg, werden sie aktiv. Sie bleiben nicht über ihren Tontafeln hocken wie Stubengelehrte, sie diskutieren nicht endlos über Berechnungen und Deutungen, sie zweifeln nicht ewig, um dann zuletzt das Ganze als uninteressant ad acta zu legen. Es sind offene, aufgeschlossene, begeisterungsfähige Menschen, die in der Lage und willens sind, große kosmische Zusammenhänge anzuerkennen. Gott, der Schöpfer des ganzen Weltalls, hat Gestirnskonstellationen wie Geschichtsereignisse in der Hand, er wirkt in den Weiten des Alls genauso wie auf dem winzigen Fleckchen Erde namens Judäa.

Der krasse Gegensatz zu den jüdischen Gelehrten am Hof des Halbjuden Herodes und zu dem von Rom abhängigen, machtbesessenen König selbst macht etwas deutlich: Heiden, denen die jüdischen Vorstellungen und Traditionen fremd sind, sind eher für den Plan Gottes aufgeschlossen, als Vertreter des Auserwählten Volkes, die sich im Besitz der Wahrheit glauben. Gibt´s das nicht auch bei Christen? Starres Festhalten an Traditionen, die man gar nicht mehr versteht oder die gar nicht mehr sinnvoll sind? Stures Pochen auf „Wahrheit", in deren Besitz sich manche Amtsträger glauben? Geistige Unbeweglichkeit Problemen gegenüber, Paragraphenmentalität gegenüber den Nöten der Mitmenschen?

Die Weisen werden aktiv - ins Ungewisse hinein. Sie sind risikobereit - die Reise ist nicht ungefährlich und könnte auch vergeblich sein.

Wir gehen lieber auf Nummer sicher: wenn wir uns auf Paragraphen und Kirchengesetze berufen können, dann kann uns nichts passieren - was könnte uns dann Gott schon vorwerfen? Wenn ich auf meinem Posten sitzenbleibe, dann laufe ich auch nicht Gefahr, mich zu verirren; wenn ich nichts tue, dann mache ich auch nichts falsch. Wenn ich meine Talente vergrabe, dann riskiere ich keinen Verlust.

Die Weisen lassen sich führen: erst vom Stern, dann von Weisungen, die sie im Traum erhalten.

Wir glauben, alles selbst in die Hand nehmen zu müssen. Auch wenn ich immer wieder feststellen muß, daß meine mangelnde Übersicht und meine fehlende Kenntnis der großen Zusammenhänge nur Pfuschwerk hervorbringt - der Führung Gottes vertraue ich mich nicht an; ich weiß selber, wo´s lang geht und ich bestimme selbst meinen Weg.

Auch die Weisen hatten sicher etwas ganz anderes erwartet: einen Prinzen, einen Königssohn in passender Umgebung, umgeben vom Hofstaat und in prachtvollen Gewändern. Aber sie lassen sich von der Wirklichkeit belehren: überraschend, unvorhersagbar und unvermutet präsentiert sich der Erlöser - ein einfaches Baby einer einfachen Mutter, in einem Lehmhaus mit gestampftem Lehmboden vielleicht. Trotzdem sind sie nicht enttäuscht: Sie freuen sich "über die Maßen", erkennen ihn als Erlöser an und verehren ihn mit einer Proskynesis - also durch Sich-Niederwerfen auf den Bauch, wie es orientalischen Königen zustand.

Auch wir haben unsere festgefahrenen Vorstellungen von Gott und von dem, was er mit uns vorhat. Wie schnell sind wir enttäuscht, wenn etwas nicht so läuft, als wir es erwartet haben; dann kann es sogar passieren, daß ich mit Gott nicht mehr rede und ihm beleidigt bin. - Wahrscheinlich werden wir alle gewaltig überrascht sein, wenn wir beim Sterben einen Gott kennenlernen, der ganz anders ist, als unsere Phantasie ihn sich ausgemalt hat - obwohl wir ihn kennen könnten, wenn wir uns an das halten würden, was Jesus von ihm gesagt hat. Ob das nicht auch eine böse Überraschung werden könnte?

Die Weisen aus dem Osten - liest man die Geschichte nur so, wie man ein Märchen liest, dann hat sie Mattäus vergeblich geschrieben. Suche ich aber nach der Bedeutung für mich darin, dann hat sie der Evangelist mir persönlich gewidmet.

AMEN

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