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Christi Himmelfahrt 2000

Thema: Nur eine Entrückungsgeschichte?
Lesg./Ev.: Apg 1,1-11; Mk 16,15-20
gehalten am 01.06.2000 09:00h ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Lesung aus der Apostelgeschichte

1,1 Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, 2 bis zu dem Tag, an dem er (in den Himmel) aufgenommen wurde. Vorher hat er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben. 3 Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, daß er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen. 4 Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt. 5 Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft.

6 Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? 7 Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. 8 Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. 9 Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. 10 Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen 11 und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.

Evangelium nach Markus

16,15 Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! 16 Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. 17 Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; 18 wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden. 19 Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. 20 Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ.

Predigt

Liebe Christen!

Manchmal ist es wirklich besser, die Bibel nicht allzugenau zu kennen. Gerade die Texte des heutigen Hochfestes könnten einen sonst gehörig in Verwirrung bringen.

Lukas, der am Schluß seines Evangeliums von der Himmelfahrt Christi erzählt, läßt dieses Ereignis am Ostertag selbst stattfinden - und in der Apostelgeschichte, die er doch schließlich selbst geschrieben hat, findet diese „Entrückung" erst nach 40 Tagen statt.

Bei den anderen Evangelisten ist von einem „Höhenflug" Christi überhaupt keine Rede - es sei denn, man möchte den Markusschluß in diesem Sinne auslegen. Aber da ist wieder ein Haken: diese Schlußverse hat Markus gar nicht selber geschrieben, sie wurden erst später hinzugefügt, weil gewissen Leuten der Originalschluß zu abrupt vorkam. Und Mattäus? Da verspricht Jesus nur, bei uns zu sein alle Tage bis zum Ende der Welt - nichts steht da von einer Himmelfahrt. Und mein Lieblingsevangelist Johannes läßt die Geistsendung schon am Ostersonntag, und nicht erst am jüdischen Pfingstfest erfolgen; von Himmelfahrt ist da ebenfalls keine Rede.

Auf den ersten Blick also recht verwirrend. Dazu kommt, daß Lukas eindeutig eine Erzählform verwendet hat, die unter den Griechen recht verbreitet war: die Entrückungsgeschichte. Wir kennen aus der Antike eine ganze Reihe davon. Von Herakles, ebenso von Alexander dem Großen und vom Gründer Roms, Romulus, werden haargenau die gleichen Geschichten erzählt: eine Menschenmenge wird Zeuge, daß eine Wolke oder eine Finsternis den Helden bedeckt, und anschließend kann man ihn nicht mehr sehen - er ist zu den Göttern entrückt.

Wir verstehen, daß Lukas, selbst ein Grieche, seinen Landsleuten etwas mit Mitteln klar machen wollte, die ihnen gewohnt und vertraut waren. Nur - wer versteht denn heute schon, wie man damals solche Geschichten gemeint hat? Im Gegenteil: die Vorstellung eines Jesus, der wie eine Rakete in Richtung Himmel schießt, wirkt auf uns moderne Menschen eher lächerlich und märchenhaft. Wir wissen halt alle, daß Gott nicht über der Himmelskuppel, hoch über dem Himmelsozean thront, wie man sich das damals vorstellte, und daß man daher glaubte, in die Höhe schweben zu müssen, um zu Gott zu gelangen.

Wir brauchen heute andere Vorstellungshilfen, damit uns die Bedeutung des Gemeinten aufgehen kann. Versuchen wirs einmal.

Die meisten Theologen gehen davon aus, daß ein Mensch im Augenblick seines Todes Gott begegnen darf. Das findet aber nicht mehr in unserer raum-zeitlichen Sphäre statt, sondern in der Welt Gottes, in der Ewigkeit, in der unser Raum und unsere Zeit keine Gültigkeit mehr haben. Das bedeutet aber: Tod, Auferstehung und „Himmelfahrt" (also zu Gott zu gelangen) sind in Wirklichkeit ein und das selbe! Oder anders herum gesagt: es ist Unsinn zu sagen, der Tote wartet auf die Auferstehung und auf das Leben bei Gott, weil der Mensch bereits im Moment des Todes in die Welt Gottes hinein auferweckt wird.

Warum sollte das bei Jesus anders gewesen sein? Das würde aber bedeuten, daß Jesus bereits am Karfreitag - vermutlich am 7. April des Jahres 30 um 15 Uhr - gestorben, gleichzeitig auferstanden und mit Gott vereint war!

Natürlich sieht die Sache für die Hinterbliebenen ganz anders aus. Für sie, die ja noch von Raum und Zeit abhängig waren, waren die Erscheinungen des Auferstandenen erst später - symbolisch ausgedrückt „am dritten Tage"! Und diese Erscheinungen dauerten allem Anschein nach auch länger an - wieder symbolisch ausgedrückt: 40 Tage lang. Dabei muß man wissen, daß in der gesamten Bibel diese Zahl 40 eine Vorbereitungszeit auf etwas Neues bedeutet. Auch Jesus hatte sich ja nach Ausweis des Mattäus erst 40 Tage lang in der Wüste aufgehalten, bevor er etwas Neues begann, nämlich seinen Auftritt in der Öffentlichkeit.

Und noch eine wichtige Erfahrung mußten die Freunde Jesu machen: gerade durch seinen Tod konnte er ihnen jetzt näher sein, als je zuvor! Und zwar nicht hintereinander mal dem einen, mal dem anderen, wie es die Gesetze der Materie vorschreiben, sondern allen zur gleichen Zeit und an allen Orten! Lesen Sie doch nochmals die Emmausgeschichte - darin versucht Lukas genau diese raum-zeitliche Ungebundenheit des Auferstandenen auszudrücken. Mit einem Wort: selbst die Pfingsterfahrung war nicht erst 50 Tage später, sondern praktisch gleichzeitig mit seinem Tod und seiner Auferstehung. Das wiederum bestätigt uns das Johannesevangelium, wo der Auferstandene bereits am Ostersonntag den Jüngern seinen Geist, also die Erfahrung der inneren Nähe Gottes, verleiht!

Fassen wir es nochmals zusammen: Tod, Auferstehung, Himmelfahrt, Erhöhung zum Herrn und die Geistsendung sind in Wirklichkeit ein „gleichzeitiger" Vorgang, ein und das selbe.

Wir Menschen aber können, so lange wir in Raum und Zeit leben, alles nur mit zeitlichen Schablonen erfassen und sind gezwungen, eins nach dem anderen zu überdenken. In der frühen Kirche noch hat man noch ganz schlicht Tod und Auferstehung zusammen gefeiert, und das 50 Tage lang. Aber bereits im vierten Jahrhundert hat man die einzelnen Elemente in gesonderten Festen - natürlich zeitlich voneinander getrennt - gefeiert. Und das ist ja auch verständlich, denn wir brauchen einfach Zeit, um die bedrückende Stimmung an Karfreitag zu meditieren, dann nochmals Zeit, um die fröhliche, begeisternde Freude der Auferstehung zu verdauen, und nochmals Zeit, um uns Gedanken über die dauernde Nähe Christi vom Vater her zu machen. Im Grunde ist da dasselbe passiert, wie mit dem Gründonnerstag. Weil die frohmachende Einsetzung des eucharistischen Sakramentes und die düstere Stimmung des Verrates und der Todesangst Jesu unseren Gefühlen widerstreiten, hat man beide Aspekte getrennt: Verrat, Todesangst und Verhaftung Jesu wird nun am Gründonnerstag, die Einsetzung der Eucharistie aber am Fronleichnamstag gefeiert.

Zurück zur Einheit von Tod, Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung! Was Jesus - und zwar gleich"zeitig" - widerfahren ist, dürfen wir auch für uns alle erwarten. So ist Jesus auch für uns ein Modell, eine „Vorschau" für das, was wir alle erleben werden. Wenn wir das verstanden haben, dann ist der Tod nicht mehr ein trister Abschied, ein lähmendes Ende, sondern der Eintritt in die strahlende Welt der Liebe Gottes, die „kein Auge geschaut und kein Ohr gehört hat", die also für unsere irdischen Sinne unvorstellbar ist. Dann fallen zugleich auch für uns alle Schranken von Raum und Zeit - und so können auch wir unseren Lieben auf Erden näher sein als je zuvor. Dessen bin ich mir sicher. AMEN


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